Fiona
als wären sie nur noch wenige Stunden beisammen. Zweimal traten ihr Tränen in die Augen, Tränen der Ohnmacht, da sie der Rettung schon so nahe gewesen waren und alles nun durch die Wollust einer Frau wieder gefährdet schien.
Miles küßte ihr die Tränen ab und flüsterte, daß sie den Augenblick genießen und Ärger und Haß für später aufheben sollte, wenn sie mehr Muße dafür hatten.
Sie schlief ein, sich so fest an Miles klammernd, wie sie konnte, und während der Nacht schob sie sich auf ihn hinauf. Er erwachte, lächelte, küßte sie auf den Scheitel, entfernte eine Haarsträhne aus seinem Mund, drückte sie noch einmal an sich und schlief wieder ein.
Roger weckte sie kurz vor Tagesanbruch, und nach einem Blick auf ihren Bruder war Fiona überzeugt, daß er keine Sekunde geschlafen hatte. Christiana kam unter den Bäumen hervor, ihre Augen voller Leben und ihre Lippen prall von Blut. Als sie sich wieder auf den Weg machten, bemerkte Fiona, wie Roger Chris ununterbrochen von der Seite ansah - voller Ehrfurcht und Glück. Mittags hatte er seinen Arm um das Mädchen gelegt und zog sie dicht an sich. Und einmal schloß er zu Fionas Überraschung das Mädchen sogar in seine Arme und küßte sie leidenschaftlich. Roger hatte immer auf schickliches Betragen großen Wert gelegt, war sich seiner Stellung im Leben bewußt gewesen, seiner Gelübde als Ritter, und nie hatte er in der Öffentlichkeit seine Gefühle gezeigt.
Miles hakte Fiona unter und zog sie von der Stelle weg, wo sie mit offenem Munde ihren Bruder anstarrte.
Es war eine Stunde vor Sonnenuntergang, als Männer mit gezogenen Schwertern unter den Bäumen hervorstürzten und die Spitzen ihrer Waffen auf die Kehlen der vier Reisenden setzten.
Ein häßlicher, alter Mann trat hinter seinen Rittern hervor.
»Nun, Montgomery, so sehen wir uns wieder. Ergreift sie! « befahl er.
Kapitel 19
Fiona saß einen Moment lang regungslos auf ihrem Pferd, als sie durch einen Tränenschleier hindurch die uralte Montgomery-Feste betrachtete. So viele Dinge hatten sich in den letzten Wochen verändert, daß sie schon zweifelte, ob England oder die massive Montgomery-Burg noch an ihrem alten Platz waren.
Eines der Pferde ihrer drei stattlichen Begleiter hinter ihr scharrte ungeduldig und brachte Fiona in die Gegenwart zurück. Mit einem lauten Schrei benützte sie die Enden ihrer Zügel als Peitsche und trieb das Pferd voran. Obwohl sie die Burg der Montgomerys nie besucht hatte, kannte sie deren Lage und Aussehen gut. In Schottland hatte ihr Miles viel von seinem Familiensitz erzählt und sogar eine Skizze davon in den Lehm gekratzt.
Sie lenkte auf das schwerbewachte hintere Tor zu, den Eingang für Familienmitglieder. Als sie die Mauern erreichte, die den schmalen Zugang flankierten, verringerte sie kaum das Tempo ihres Pferdes.
Sogleich riefen sie Wachen an, die mit Pfeilen auf sie zielten. »Die Frau von Miles Montgomery«, brüllte einer der Männer hinter Fiona zur Mauerzinne hinauf.
Sechs Pfeile schlugen vor Fionas Pferd in den Boden ein, und das erschöpfte Tier bäumte sich auf und zerschmetterte mit einem Huf zwei Pfeilschäfte. Fiona mußte ihre ganze Kraft aufwenden, um das scheuende Tier wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
Drei bewaffnete Ritter standen nun zwischen ihr und dem geschlossenen Tor.
»Ich bin Fiona Montgomery, und diese Männer sind meine Begleiter«, sagte sie ungeduldig, aber mit einigem Respekt. Nicht viele Burgen im Land wurden noch so gut bewacht wie diese.
Als wären sie Standbilder verharrten die Ritter an ihrem Standort, während noch mehrere Männer von den Mauern heruntersprangen und ihre gezogenen Schwerter auf die Männer hinter Fiona richteten.
Als zwanzig Montgomery-Ritter die Ankömmlinge umzingelt hatten, sagte einer der Torwächter zu Fiona: »Ihr allein dürft eintreten. Eure Männer bleiben hier. «
»Ja, natürlich. Bringt mich zu Gavin. Er kann meine Angaben bestätigen. «
Man nahm ihr den Zügel ab, und sie wurde in einen sauberen, geräumigen Burghof vor dem großen Herrenhaus geführt. Viele Gebäude reihten sich an der Innenseite der hohen Umfriedungsmauer aneinander.
Einer der Torwächter betrat das Herrenhaus, und Sekunden später erschien eine hübsche Frau, ihr Gesicht mit Mehl bestäubt, Sesamkörner im Haar.
»Bringt mich zu Eurem Meister«, sagte Fiona im befehlenden Ton zu der Frau. »Ich habe Nachrichten, die ihn betreffen. «
»Seid Ihr Fiona? « fragte die zierliche Frau. »Bringt
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