Fiona
warf mit Gegenständen um sich, zerlegte mit bloßen Händen einen Stuhl und hieb mit einer Axt einen Tisch entzwei. Tam und Sir Guy mußten ihre ganze Kraft aufwenden, um ihn zu bändigen.
Gavin und Stephen hatten offensichtlich ihren kleinen Bruder schon öfter in diesem Zustand erlebt. Selbst Gavin gab nach Miles’ Wutanfall auf und kehrte nach England zurück. Und Fiona fühlte sich elend, betrachtete mit tränennassen Augen Miles, der mit Drogen betäubt war. Roger und Miles, dachte sie immer wieder, Roger und Miles. Sie hatte ein Heim mit zwei Brüdern, und einer davon drehte jeden Stein auf den Inseln um, um sie zu finden; doch sie saß hier und vergoß Tränen über ihren Feind, einen Mann, der sie auch beschützt hatte. Sie mit Geduld und Güte behandelt und ihr bewiesen hatte, daß das Leben auch gut sein konnte.
Schlaftrunken öffnete Miles die Augen. »Hab ich dich erschreckt? « fragte er heiser.
Sie konnte nur nicken.
»Ich erschrecke mich selbst. Doch diese Anfälle kommen nicht oft. « Er nahm ihre Hand und drückte sie an seine Wange wie ein Kinderspielzeug. »Verlaß mich nicht mehr, Fiona. Du wurdest mir geschenkt; du gehörst mir. « Nach diesem so oft wiederholten Refrain glitt er wieder in den Schlaf hinüber.
Das war vor vier Tagen gewesen, knappe vier Tage erst, doch nun hatte er beschlossen, sie drei Tage allein zu lassen, während er und Stephen Wildschweine jagten. Vielleicht hatte Miles kein Gespür mehr für die Angst, die sie immer noch empfand. Vielleicht war er sich seiner Sache so sehr sicher, daß er glaubte, er könne sie immer an seiner Seite behalten. Doch Roger war unterwegs nach Schottland, und wenn er mit seiner Armee hier eintraf, was würde sie dann tun? Konnte sie zusehen, wie die MacArrans gegen ihren Bruder kämpften? Konnte sie Zusehen, wie Roger und Miles sich im Zweikampf zerfleischten? Würde sie Kit auf ihren Armen halten und zusehen, wie Miles starb, oder würde sie Miles nachts in ihren Armen halten und das Blut ihres Bruders auf seiner Haut schmecken?
»Fiona? « fragte Alicia von der Tür her. »Miles sagte, du gehst nicht mit auf die Jagd. «
»Nein«, sagte sie mit einer Spur von Bitterkeit. »Ich muß hierbleiben und mich mit Männern umgeben. Männer hinter mir, Männer neben mir - Männer, die mir auf Schritt und Tritt nachsehen. «
Alicia beobachtete einen Moment lang schweigend die blonde Frau. »Machst du dir Sorgen um Miles oder deinen Bruder? «
»Um beide«, erwiderte Fiona aufrichtig. »War es für dich so einfach, mit einem englischen Ehemann zu deinen Schotten heimzukehren? Hast du dich nie gefragt, ob du ihm trauen kannst? «
In Alicias Augen tanzte der Schalk. »Dieser Gedanke ist mir tatsächlich gekommen. Stephen verlangte lediglich von mir das Bekenntnis, daß ich ihn liebte. Aber ich war überzeugt, daß Liebe mehr ist als nur ein unbestimmtes Gefühl. «
»Und ist es mehr? «
»Ja«, sagte Alicia. »Es gibt Frauen, glaube ich, die einen Mann lieben trotz allem, was er ist; doch für mich war es wichtig zu wissen, daß Stephen nicht nur das war, was ich brauchte, sondern auch mein Clan. «
»Wenn du ihn aber geliebt hättest, von ganzem Herzen, und dein Clan hätte ihn gehaßt? Wenn du dich deinem Clan entfremdet hättest, indem du bei Stephen geblieben wärst? «
»Dann hätte ich mich für meinen Clan entschieden«, antwortete Alicia, während sie Fiona eindringlich musterte. »Ich hätte vieles aufgegeben, sogar mein eigenes Leben, um einen Krieg in meiner Familie zu verhindern. «
»Und das ist es, was ich deiner Meinung nach ebenfalls tun sollte! « schnaubte sie. »Du bist der Meinung, ich sollte zu meinem Bruder zurückkehren. Und jetzt, während Miles auf der Jagd ist, ist die Gelegenheit dafür ideal. Mit ein paar deiner Männer als Begleitung könnte ich… « Sie hielt inne, als Alicia ihr fest in die Augen sah.
Schließlich sagte Alicia: »Ich respektiere den Willen meines Schwagers. Ich werde dir nicht zur Flucht verhelfen. «
Fiona schlang die Arme um Alicias Hals. »Was soll ich tun? Du hast selbst erlebt, wie Miles sich aufführte, als ich sagte, ich würde zu Roger zurückkehren. Sollte ich versuchen, ihm noch einmal zu entfliehen? Oh, Himmel! « Sie schob Alicia wieder von sich fort. »Du bist auch nur eine von meinen Feinden. «
»Nein«, widersprach Alicia lächelnd. »Ich bin nicht dein Feind. Und auch die Montgomerys sind nicht deine Feinde. Wir haben dich alle lieben gelernt. Kit würde dir bis zum Ende
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