Fire - Thriller
Jahren mehr als dreihunderttausend Menschen getötet, indem sie ihnen die Hände und Füße abhackten, oder sie setzten Häuser in Brand, in denen ganze Familien schliefen, oder rissen schwangeren Frauen den Fötus heraus. Sie schufen »Reklametafeln des Terrors«, indem sie Nachrichten in Opfer ritzten, die sie verschonten und als lebende Reklametafeln umherschickten.
Ich flog mit der Bellview Air über Nacht nach Freetown. Mit einem dem Tod trotzenden Propellerflugzeug ging es weiter bis zur Ostgrenze von Sierra Leone, wo wir holterdiepolter auf einer mit Gras bewachsenen Piste landeten, die zu Koidu gehörte. Von dort aus nahm ich eins der zwei in dieser Region verfügbaren Taxis.
Sechsunddreißig Stunden nach Flahertys Warnung, nicht hierherzukommen, stand ich am Rand von Running Recovery, einer der noch betriebenen Diamantenminen in Koidu.
Ob Tiger mit jemandem aus dieser Mine Geschäfte gemacht hatte, wusste ich nicht, doch laut Flaherty stand Running Recovery in einem schlechten Ruf.
Zu Hause in Washington würde ich damit beginnen, Nachforschungen anzustellen. Also entschied ich mich, genau das hier ebenfalls zu tun, bei einer Mine nach der anderen, wenn nötig.
Ich war wieder Detective.
Das wusste ich bereits.
Running Recovery war eigentlich keine Mine, sondern ein angeschwemmtes Diamantenfeld. Es wirkte wie ein Miniaturtal – zwei Fußballfelder voll mit höchstens zehn Meter tief umgegrabener, durchgepflügter gelber Erde.
In der extremen Hitze mühten sich die Arbeiter vornübergebeugt mit Spitzhacken und Sieben ab. Die meisten von ihnen standen bis zur Hüfte in schlammigem, braunem Wasser.
Einige sahen aus wie Grundschüler, und soweit ich das sagen konnte, waren sie auch zumindest im entsprechenden Alter. Mir fiel das Lied vom Rapper Kanye West ein, »Diamonds from Sierra Leone«. Damon hatte dieses Lied oft gehört. Hat ten er oder seine Freunde jemals die wahre Bedeutung des Textes verstanden?
Die Sicherheitsvorkehrungen an der Mine waren überraschend lasch. Dutzende Menschen standen außen herum, die mit ihren Waren handelten oder, wie ich, einfach nur zuschauten.
»Bist du Journalist?«, fragte jemand hinter mir. »Was machst du hier?«
Als ich mich umdrehte, starrten mich drei ältere Männer streng an. Alle drei waren »Kriegsamputierte«. Wahrscheinlich waren sie keine Soldaten, sondern gehörten zu den Tausenden von Zivilisten, die während Sierra Leones zehnjährigem Konflikt, vor allem wegen der Kontrolle über die Diamantenindustrie, unter der herrschenden Brutalität gelitten hatten.
Diamanten hatten diesem Land bereits das angetan, was Nigeria durch Öl drohte. Nichts mahnte stärker daran als die Männer, die hier vor mir standen.
»Journalist?«, fragte ich. »Nein, aber ich würde gerne mit jemandem unten auf dem Feld sprechen, mit einem der Arbeiter. Weiß von euch jemand, wer hier zuständig ist?«
Einer von ihnen deutete mit dem Armstumpf nach vorne. »Tehjan.«
»Er redet aber nicht mit Journalisten », meldete sich ein anderer zu Wort. Beide Ärmel seines Hemdes hingen leer nach unten.
»Ich bin kein Journalist«, wiederholte ich.
»Das ist Tehjan egal. Du Amerikaner, du Journalist.«
Angesichts der Presseberichte, die ich über diese Minen gesehen hatte, war die Empfindlichkeit fast verständlich.
»Gibt es jemand anderen da unten, der mit mir sprechen würde?«, fragte ich. »Einer der Arbeiter? Kennt ihr einen von diesen Männern? Habt ihr Freunde da unten?«
»Vielleicht heute Abend in der Halle in der Stadt«, sagte der Erste. »Wenn das Fass rumgeht, lockern sich die Zungen.«
»Die Stadthalle? Wo finde ich die?«
»Ich kann sie dir zeigen«, bot der Gesprächigste der Amputierten an. Ich blickte ihn an, und als er meinem Blick nicht auswich, fragte ich mich, wie es kam, dass die Paranoia diesen Teil von Afrika nicht bei lebendigem Leib gefressen hatte. Ich beschloss, ihm zu trauen.
»Ich bin Alex. Wie heißt du?« Wir schüttelten uns die linken Hände.
»Ich bin Moses«, sagte er. Sein Name entlockte mir ein Lächeln und einen Gedanken an Nana. Sie hätte ebenfalls gelächelt und ihm auf den Rücken geklopft.
Weise mir den Weg, Moses.
56
Jetzt bearbeitete ich tatsächlich den Fall, den zu lösen ich hier hergekommen war.
Der Marsch in die Stadt dauerte ungefähr eine Stunde. Moses erzählte mir unterwegs zwar eine Menge, aber von Tiger habe er nie gehört. Konnte ich ihm das glauben? Sicher konnte ich mir nicht sein.
Der Tausch von Diamanten
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