Fire - Thriller
gegen Öl, Gas, Waffen, Drogen und einer beliebigen Anzahl unerlaubter Waren war in dieser Gegend kein Geheimnis. Moses wusste genauso wie jeder andere auch, welche Geschäfte hier betrieben wurden. Er war als Jugendlicher und Heranwachsender selbst Arbeiter in einer Diamantenmine gewesen. Bis zum Bürgerkrieg.
»Jetzt nennen sie uns › san-san -Jungs‹«, erklärte er. Ich nahm an, er meinte diejenigen, die wie er nicht mehr arbeiten konnten.
Zuerst war ich überrascht über seine scheinbare Offenheit. Einige seiner Geschichten wirkten zu persönlich, um sie einem Fremden zu erzählen, besonders einem, der amerikanischer Journalist oder gar vom CIA sein könnte. Doch je mehr er erzählte, desto mehr wurde mir klar, dass genau dies, das Erzählen von dem, was ihm passiert war, das Einzige sein könnte, was er noch im Leben hatte.
»Wir haben da drüben gelebt.« Er deutete vage in eine Richtung, ohne hinzusehen.
»Meine Frau hat Palmöl auf dem Markt verkauft. Ich hatte fünf hübsche Söhne. Als die RUF-Soldaten nach Kono kamen, kamen sie zu uns genauso wie zu den anderen. Es war nachts, während der Regenzeit, deswegen brannten keine Fackeln. Sie haben gesagt, wenn ich zusehe, wie sie meine Kinder töten, werden sie meine Frau verschonen. Aber als ich getan habe, was sie mir gesagt haben, haben sie meine Frau trotzdem getötet.«
Die RUF war die für den Tod Tausender von Menschen verantwortliche revolutionäre Truppe. Moses erzählte erschreckend nüchtern über das furchtbare Familienmassaker, das denen in Washington nicht unähnlich war, wie mir schien.
»Du hast überlebt«, sagte ich.
»Ja. Sie haben mich auf einen Tisch gelegt und nach unten gedrückt. Sie haben gefragt, ob ich nach dem Krieg lange oder kurze Ärmel tragen wollte. Dann haben sie meine Arme abgeschnitten, hier.« Er deutete auf seine Stümpfe, auch wenn klar war, was er meinte.
»Sie wollten gerade den anderen Arm abschneiden, als im Nachbarhaus etwas explodiert ist. Ich weiß nicht, was danach passiert ist. Ich wurde bewusstlos, und als ich aufwachte, waren die RUF-Soldaten fort. Und meine Frau auch. Meine ermordeten Söhne haben sie dagelassen. Ich wollte sterben, tat es aber nicht. Meine Zeit war noch nicht gekommen.«
»Moses, warum bist du noch hier? Gibt es keinen anderen Ort, an den du gehen kannst?«
»Es gibt keinen anderen Ort für mich. Hier gibt es manchmal wenigstens Arbeit. Ich habe meine Freunde, andere san-san -Jungs.« Aus irgendeinem Grund lächelte er über seine Feststellung. »Hier ist mein Zuhause.«
Wir hatten Koidu mittlerweile erreicht, einen ausgedehnten Ort mit unbefestigten Straßen und niedrigen Häusern, die sich immer noch vom sechs Jahre zurückliegenden »Krieg« erholten.
Wir kamen am halb fertigen Krankenhaus und an einer schlichten Moschee vorbei, doch die meisten anderen Gebäude waren verlassen, ausgebrannte Hüllen, wohin ich auch blickte.
Als ich Moses Geld für seine Mühen geben wollte, lehnte er ab. Ich zog es vor, ihn nicht zu nötigen, es zu nehmen.
»Erzähl die Geschichte, die ich dir erzählt habe«, bat er. »Erzähl sie Amerika. Es gibt immer noch Rebellen, die uns auch nach dem Krieg töten wollen. Das wollen sie tun, damit niemand sieht, was sie getan haben.« Er hielt den Stumpf seines Armes hoch. »Vielleicht erzählst du das den Menschen in Amerika. Und sie erzählen es anderen Menschen. Dann werden es alle wissen.«
»Das werde ich tun, Moses«, versprach ich. »Ich werde es den Menschen in Amerika erzählen und sehen, was passiert.«
57
Die Stadthalle hieß – unpassen derweise – »Moderne Heiterkeit«. Der Name stand vor der Halle in blauer Schrift auf einem alten Holzschild und erinnerte mich an einen Roman von Alexander McCall Smith, Ein Krokodil für Mma Ramotswe .
Vielleicht war das Gebäude früher eine Kirche gewesen. Jetzt diente es als eine Art Allzweckhalle – ein großer, schmuddeliger Raum mit Tischen und Stühlen, der sich langsam füllte, als die Sonne unterging.
Jemand schaltete einen Kassettenrekorder ein, und der Typ, der mit einem Fass Star Beer aufkreuzte, schenkte das Bier in bereits benutzte Plastikbecher ein und kassierte das Geld.
Moses und seine Freunde wollten nicht mit hineinkommen und sich von mir zu einem Bier einladen lassen. Sie sagten, man würde sie hinauswerfen, wenn sie nicht für ihr eigenes Bier bezahlen könnten. Stattdessen wollte Moses mit ein paar anderen Männern an einem offenen Feuer nicht weit von der Halle entfernt
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