Fire - Thriller
mit flehendem Blick an. Aber worum flehte sie?
»Warum tut ihr das?«, zischte ich zwischen zusammengepressten Zähnen. Ich stellte mir vor, wie ich meine Hände um den Hals des Kommandanten legte. »Meine Freundin wurde in Washington getötet. Deswegen bin ich hier. Aus keinem anderen Grund. Ich bin nicht Teil irgendeiner Verschwörung.«
»Zieh das Klebeband von ihrem Mund«, befahl der Kommandant.
»Alex, mach dir keine Sorgen um mich«, sagte Adanne, sobald der Wärter es von ihrem Mund gerissen hatte.
Der Kommandant wandte sich an den Polizisten. »Noch mal. Schlag sie.« Er drehte sich zu mir. »Alex! Mach dir Sorgen um sie.«
»Okay!«, fiel ich ihm ins Wort. »Der Tiger heißt Abidemi Sowande. Er ist neunzehnhunderteinundachtzig im Alter von neun Jahren verschwunden und erst wieder in England aufgetaucht, wo er zwei Jahre studiert hat. Seitdem ist er nicht mehr unter diesem Namen aufgetreten. Er hat eine Menge Menschen umgebracht, hier und in Amerika. Er holt sich Jungs aus den Flüchtlingslagern für seine Arbeit. Vielleicht herrscht er über andere Tiger. Mehr weiß ich nicht. Das ist alles, was ich habe. Über die Diamanten, das Benzin und den illegalen Handel weißt du selbst Bescheid.«
Der Kommandant hielt seine Hand nach oben, um den nächsten Faustschlag aufzuhalten. »Bist du dir sicher?«
»Klar bin ich mir sicher, verdammt noch mal! Ich bin nur ein Polizist aus Washington. Adanne hat damit nichts zu tun.«
Er kniff die Augen zusammen und dachte nach. Scheinbar zufrieden ließ er die Hand wieder sinken. »Ich sollte dich trotzdem töten«, sagte er. »Aber das liegt nicht in meiner Hand.«
Dann hörte ich eine andere Stimme. »Nein, das liegt in meiner Hand, Detective Cross.«
113
Ein Mann trat aus dem Schatten, ein großer Mann – der Söldner, den ich als den Tiger kannte. Derjenige, dem ich hinterherjagte.
»Niemand scheint viel über mich zu wissen. Das ist gut, oder? Genau so möchte ich es belassen. Sie schreibt Geschichten in Zeitungen, in der Londoner Times , vielleicht in der New York Times . Du bist mir viel zu sehr in die Quere gekommen.«
Er trat auf mich zu. »Unglaublich«, sagte er. »Einige Menschen haben Angst vor dir, hm? Ich nicht. Für mich bist du ein ulkiger Kerl. Eine Witzfigur, Detective Cross.«
Ich entspannte mich einen ganz kleinen Augenblick. Er schien nicht wütend zu sein und machte sich wegen mir keine Sorgen, doch dieses Muskelpaket war widerlicher als alles, was ich bisher gesehen hatte.
»Erschieß sie«, befahl er, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Halt, warte. Gib mir eine Waffe.«
»Nein!«, rief ich.
Mehr brachte ich nicht heraus. Voller Entsetzen riss Adanne ihr nicht geschwollenes Auge auf und suchte meinen Blick.
Der Tiger trat rasch auf sie zu. »Hübsches Mädchen«, sagte er. »Dummes Flittchen. Tote Frau! Du hast ihr das angetan, Cross. Du warst das, nicht ich.«
Peng, peng.
114
Er hatte mit dem Polizeirevolver nahe an ihrem Kopf vorbeige schossen. Zweimal. Absichtlich. Er lachte fröhlich über seinen Streich.
»Die Menschen haben Probleme zu glauben, dass ein Schwarzer schlau und intelligent sein kann. Hast du das auch gemerkt, Doktor Cross? Was ist mit dir, Adanne?«
Statt zu antworten, spuckte sie ihn an. »Mörder«, schimpfte sie.
»Einer der besten und stolz auf meine Fähigkeiten.«
Dann gab er einen dritten Schuss ab, genau zwischen Adannes Augen. Sie taumelte nach vorne und landete mit dem Gesicht auf dem Boden, die Arme ausgebreitet wie Flügel. Reglos blieb sie liegen.
Einfach so, von jetzt auf nachher, war sie tot, ermordet in diesem fürchterlichen Gefängnis vom Tiger, während die Polizei zuschaute, ohne ihn aufzuhalten.
Wut stieg in mir auf, doch ich fand keine Worte für das, was ich fühlte. Eine Schnur spannte sich um meine Kehle, eine andere um meine Stirn.
Mach dir keine Sorgen um mich, hatte Adanne gesagt. Sie hatte gewusst, dass man sie töten würde. Sie hatte es die ganze Zeit gewusst.
Der Tiger stand über ihr und beobachtete mich. Grinsend ließ er seine Hose fallen, sank auf die Knie und beging seine letzte Schandtat an Adanne.
»Hübsches Mädchen«, brummte er. »Du hast ihr das angetan. Vergiss das nicht, Detective. Nie.«
115
Alex, mach dir keine Sorgen um mich.
Mach dir keine Sorgen.
Keine Sorgen.
Irgendwie war die Nacht zum Tag geworden, und ich lebte immer noch. Durch den Stoff einer schwarzen Haube hindurch sah ich, dass es hell war.
Die Schnur um meinen Hals raubte mir die Luft
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