Fire - Thriller
werden.
Die verschiedenen amerikanischen Akzente und ein Porträt von Condoleezza Rice, das über allem thronte, wollten mir vorgaukeln, dass ich mich ganz woanders aufhielt.
Ich wurde von einem zivilen Mitarbeiter in rohweißem Anzug abgeholt, »Mr Collins«, einem Nigerianer mit undefiniertem Posten im Konsulat.
Anders als der Soldat, der mich hereingeführt hatte, war Collins freundlich und beantwortete munter einige Fragen.
»Es gab mindestens einen Rebellenangriff in River State heute«, erklärte er, während er beim Gehen heftig gestikulierte. »Größer als alles, was es hier bisher gab. Die Regierung will es nicht zugeben, doch die unabhängigen Medien nennen es den Beginn eines Bürgerkriegs.«
Das populistische Geschnatter im Erdgeschoss wich einem trockenen Diensteifer und gedämpften Gesprächen im ersten Stock. Ich wurde direkt in die Räume des Konsuls geführt, wo ich mehrere Minuten vor seinem Büro wartete, bis ein Pulk mit einem Dutzend schwarzen und weißen und vier chinesisch aussehenden Männern herauskam. Sie wirkten düster und nervös. Keiner blickte mich an, oder zumindest störte sich niemand im Geringsten daran, dass ich barfuß und in Lumpen gekleidet vor dem Büro saß.
Mr Collins hielt mir freundlich die Tür auf, bevor er sie wieder von außen schloss.
118
Konsul Robert Oweleen war groß und schlank, fast zu dünn, ein grauhaariger Mann von vielleicht sechzig Jahren. Er stand hinter seinem großen, antiken Schreibtisch, der von einer amerikanischen und nigerianischen Flagge gesäumt wurde. Zwei Assistenten blieben auf einem Sofa seitlich in einer Nische sitzen.
»Mr Cross.« Er schüttelte meine Hand, ohne zu lächeln. »Mein Gott, was ist mit Ihnen passiert?«
»Eine Menge. Ich möchte Ihre Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen. Ich bin wegen eines Mannes hier, eines Mörders, der unter dem Namen der Tiger bekannt ist. Es geht um die nigerianische und amerikanische Sicherheit.«
Er wischte meine Worte mit einer Handbewegung fort. »Ich weiß, warum Sie hier sind, Mr Cross. Ich bekam wegen Ihnen bereits den Druck aus Abu Rock zu spüren.«
»Entschuldigen Sie – Abu Rock?«
»Die Hauptstadt. Scheinbar sind Sie der Einzige, der möchte, dass Sie in Nigeria sind. Die CIA musste doch sogar Ihr Leben hier retten.«
Dieser Schlag vor den Kopf verstärkte nur noch meine Benommenheit. Der amerikanische Konsul wusste von meiner Anwesenheit? Ging jemand mit Reklametafeln umher, auf denen mit mir geworben wurde?
»Wir schicken Sie heute nach Hause«, fuhr Oweleen in entschiedenem Ton fort.
Ich blickte auf den Boden und wieder zu ihm, während ich versuchte, einen Sinn in seinen Worten zu erkennen. »Sir, der Mann, dem ich hinterherjage, ist ein Massenmörder. Er könnte Verbindungen zur nigerianischen Regierung haben. Ganz eindeutig steckt er in irgendeiner Weise mit der Polizei unter einer Decke. Wenn ich nur die Möglichkeit hätte, meinen CIA-Kontakt in Lagos zu erreichen …«
»Wie würden Sie denn Ihre Befugnisse definieren, Mr Cross?«, fiel er mir ins Wort. »Sie sind Besucher dieses Landes, mehr nicht. Sie können wegen dieser Angelegenheit beim Außenministerium vorsprechen, wenn Sie möchten. In Washington.«
»Er muss aufgehalten werden, Sir. Gestern hat er eine Reporterin des Guardian umgebracht. Sie heißt Adanne Tansi. Ich habe gesehen, wie er sie getötet hat. Er hat ihre gesamte Familie ausgelöscht. Und er ist des Mordes an mindestens acht Menschen in Washington schuldig.«
Oweleen platzte der Kragen. »Wer, zum Teufel, sind Sie? Ich habe vor drei Tagen zum ersten Mal von Ihnen gehört, und jetzt muss ich mir die Zeit wegen so was stehlen lassen? Haben Sie eine Ahnung, was hier los ist?«
Er deutete zum Plasmafernseher an der Wand. »Stellen Sie lauter.«
Einer der Assistenten betätigte die Fernbedienung. Sprachlos vor Schock und Angst blickte ich zum Fernseher.
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Der Fernseher war auf CNN eingestellt. Ein britischer Reporter kommentierte das Bild eines vornehmen Wohnviertels – weiße, zweistöckige Häuser, sauber aufgereiht, von oben aufgenommen.
Die Schrift darüber lautete: »Summit Oil Residential Compound, Bonny Island, Nigeria«.
»Noch nie zuvor wurden Familien als Geiseln genommen«, berichtete der Reporter. »Und sicherlich auch noch nie so viele Geiseln. In einer E-Mail an die internationale Presse hat die Bewegung für die Befreiung des Nigerdelta die Verantwortung für den Vorfall übernommen und diese schockierenden Bilder der
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