Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
Ich sehe, wie die Muskeln an seinem Hals sich bewegen, und etwas in meinem Bauch fängt an zu flattern. Doch anders, als ich es erwartet hatte, sieht er nicht grausam aus. Auch nicht böse, sondern nur … neugierig.
Er stemmt eine Hand auf den Felsvorsprung und zieht sich in den Spalt. Zu mir. Kein Meter trennt uns mehr voneinander. An seinen Armen zeichnen sich kräftige Muskeln ab, als er sich in die Hocke niederlässt und sachte mit den Fingern über den Höhlenboden streift. Wir tasten einander mit den Augen ab – als wären wir zwei Tiere, die sich zum ersten Mal über den Weg laufen.
Ich schnappe nach Luft und will sie um jeden Preis in meine schwelenden Lungen drücken. Allmählich verbrenne ich von innen nach außen.
Nicht, dass ich noch nie einem Menschen begegnet wäre. Ich habe sie schon Dutzend Mal gesehen, wenn ich mit Mum und Tamra zum Einkaufen in der Stadt war. Die meiste Zeit über sehe ich sogar selbst wie ein Mensch aus, auch innerhalb der geheimen Siedlung unseres Rudels. Trotzdem starre ich diesen Jungen an, als hätte ich noch nie in meinem Leben einen gesehen. Und vermutlich habe ich auch noch nie jemanden wie ihn gesehen – immerhin ist er kein gewöhnlicher Junge. Er ist ein Jäger.
Sein schwarzes T-Shirt sitzt wie eine zweite Haut und klebt an seiner durchtrainierten Brust. In unserer dunklen Höhle scheint sein nasses Haar fast schwarz zu sein. Wenn es trocken ist, könnte es heller sein, vielleicht mittelbraun oder sogar dunkelblond. Aber was mich wirklich in Bann zieht, sind seine Augen. Sein intensiver Blick, der mich nicht loslässt. Ich stelle mir vor, wie er mich sehen muss. Meine Flügel, die zusammengeschlagen hinter dem Rücken hervorspitzen. Meine geschmeidigen Gliedmaßen, die selbst in dem düsteren Felsspalt wie flüssiges Feuer schimmern. Mein schmales Gesicht mit den ausgeprägten Konturen. Die kleinen Höcker auf meiner Nase. Meine hoch geschwungenen Brauen und meine Drachenaugen – zwei schwarze senkrechte Schlitze anstelle von Pupillen.
Langsam streckt er den Arm aus und ich zucke nicht einmal zusammen, als seine warme Hand prüfend meine Haut befühlt. Er streichelt darüber und ich bin mir sicher, dass er meine Drakihaut mit seiner menschlichen vergleicht. Dann hält er inne und legt seine Hand auf meine, wo sie auf meinen langen, klauenartigen Fingern liegen bleibt. Bei seiner Berührung wird mir glühend heiß.
Auch er spürt die Hitze und reißt die Augen auf. Wunderschöne haselnussbraune Augen mit goldenen Sprenkeln. Genau die Farbe, die ich so liebe – die Farbe der Erde. Sein Blick wandert über meine nassen, wirren Haarsträhnen, die fast bis zum Steinboden reichen. Und ich ertappe mich dabei, dass ich mir wünsche, er könne das Mädchen in dem Drachen erkennen.
Ein Ton kommt über seine Lippen. Ein Wort. Ich höre es, aber ich glaube es nicht. Das hat er bestimmt nicht gesagt.
»Will!«, schreit jemand.
Wir zucken beide zusammen und plötzlich verändert sich sein Gesicht. Der sanfte, neugierige Ausdruck darin verschwindet und auf einmal sieht er wütend aus. Bedrohlich. So, wie Männer seines Schlags normalerweise Wesen meiner Art betrachten. Hastig zieht er seine Hand zurück und zerschneidet jede Nähe zwischen uns. Dort, wo er mich berührt hat, prickelt meine Haut.
»Hey da unten! Geht’s dir gut? Soll ich runterkommen?«
»Alles in Ordnung!« Seine tiefe Stimme hallt von den Wänden unserer kleinen Zufluchtsstätte wider.
»Hast du es gefunden?«
Wieder es . Ich schnaube verärgert und Rauchwölkchen puffen aus meiner Nase. Das Glimmen in meiner Lunge wird stärker.
Er blickt mich durchdringend an, seine Augen sind hart und ohne Mitleid. Ich warte darauf, dass er den anderen verrät, wo ich bin. Dabei halte ich seinem Blick stand. Dieser wunderschöne Junge soll dem Lebewesen ins Gesicht sehen, das er mit seinen nächsten Worten zum Tode verurteilt.
»Nein.«
Verblüfft schnappe ich nach Luft, während das Lodern in meinem Innern erlischt. Einen endlos langen Augenblick starren wir uns an.
Er, ein Jäger. Ich, eine Draki.
Dann ist er verschwunden.
Und ich bin ganz allein.
3
E ine Ewigkeit lang warte ich. Noch lange, nachdem das Dröhnen der Hubschrauber und der Motoren verstummt ist. Klamm und zitternd sitze ich zusammengekauert in meiner Höhle und schlinge die Arme um meine Knie. Immer wieder fahre ich mit den Händen über die rotgoldene Haut und rubble über meine Beine. Mein verletzter Flügel brennt und pocht, während ich
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