Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
der Älteren treffen ein, die mit griesgrämigen Mienen aus dem sich auflösenden Nebel stürmen. Az sehe ich nicht, aber Cassian ist dabei – ganz wie sein Vater sieht er aus, den Mund zu einer unnachgiebigen Linie gepresst. Eigentlich mag er mich in Drakigestalt sogar lieber als sonst, aber in diesem Augenblick ist von Bewunderung nichts zu spüren. Er kommt ganz nah und baut sich vor mir auf. So benimmt er sich immer – so massig, so männlich … so bedrohlich .
Ganz kurz muss ich an seine warme, starke Hand denken, die gestern während des Flugmanövers nach meiner gegriffen hat. Es wäre so leicht, ihm eine Chance zu geben und einfach nur das zu tun, was jeder von mir erwartet.
Ich kann ihm nicht in die Augen sehen, deshalb betrachte ich seine glänzenden rabenschwarzen Haare. Er beugt sich zu mir herunter und die Haare nahe meiner Schläfe zittern, als er mit seiner rauchigen Stimme sagt: »Du hast mich erschreckt, Jacinda. Ich hab schon geglaubt, ich hätte dich verloren.«
Bei diesen Worten steigt mir die Zornesröte ins Gesicht. Nur weil das Rudel meint, dass wir zusammengehören, muss das noch lange nicht stimmen. Zumindest noch nicht. Zum ungefähr hundertsten Mal wünsche ich mir, nur eine stinknormale Draki zu sein. Nicht der großartige Feuerspeier, an den alle so hohe Erwartungen stellen. Mein Leben wäre so viel einfacher. Und es wäre allein meins. Mein Leben.
Da schiebt sich meine Mutter durch die Gruppe und schubst Cassian zur Seite, als wäre er nur ein Junge und kein gut zwei Meter großer Onyx, der sie mit Leichtigkeit zerquetschen könnte. Sie ist richtig schön, mit den hüpfenden Locken ums Gesicht und den hübschen bernsteinfarbenen Augen, die meinen so ähnlich sind.
Seit Dad tot ist, haben sich schon einige der Männer um sie bemüht, sogar Cassians Vater, Severin. Zum Glück war sie nicht interessiert – an keinem. Es ist schon schwer genug, mit Mum klarzukommen. Auf einen Machodraki, der versucht, den Platz meines Vaters einzunehmen, kann ich ganz gut verzichten.
Jetzt, in diesem Moment, sieht meine Mutter alt aus. Tiefe Falten liegen um ihren Mund. Nicht einmal an dem Tag, an dem man uns erklärt hat, dass Dad nicht wieder heimkommen würde, hab ich sie so gesehen. Und schlagartig wird mir klar, dass ich der Grund dafür bin. In meinem Magen bildet sich ein Knoten.
»Jacinda! Gott sei Dank, du bist am Leben!« Sie schlingt die Arme um mich und ich schreie auf, als sie meinen verletzten Flügel drückt.
Sofort weicht sie zurück. »Was ist passiert?«
»Dafür ist jetzt keine Zeit.« Cassians Vater legt eine Hand auf Mums Schulter und schiebt sie zur Seite, damit er sich genau vor mich stellen kann. Mit seinen fast zwei Metern ist er genauso groß wie Cassian und ich muss mir den Hals verrenken, um zu ihm hochschauen zu können. Er wirft mir eine Decke über den bibbernden Körper und schnauzt mich an. »Verwandle dich zurück, sofort!«
Ich gehorche und verbeiße mir die Schmerzen, als ich meine Flügel in meinen Körper zurückziehe, wobei die Wunde gedehnt wird und meine sich wandelnde Haut noch ein Stück weiter einreißt. Meine Knochen schrumpfen und meine dickere Drachenhaut löst sich auf.
Auch nach der Verwandlung ist die Verletzung noch da, ein tiefer Schnitt in meinem Schulterblatt. Ich spüre, wie mir warmes Blut über den Rücken rinnt, und wickle mich noch fester in die Decke. Mit einem Mal trifft mich die Kälte härter, sie sticht in meine menschliche Haut und ich fange furchtbar an zu zittern. Meine nackten Füße werden ganz taub, so kalt ist mir.
Dann steht Mum neben mir und legt mir eine zweite Decke um. »Was hast du dir bloß dabei gedacht?« Ich hasse diesen Tonfall, so kritisch, so scharf. »Tamra und ich sind fast gestorben vor Sorge. Willst du etwa genauso enden wie dein Vater?« Sie schüttelt hektisch den Kopf und ihre Augen blicken wild entschlossen. »Ich habe schon meinen Ehemann verloren. Ich will nicht auch noch meine Tochter verlieren!«
Mir ist bewusst, dass alle auf eine Entschuldigung warten, aber lieber würde ich Reißnägel schlucken. Genau davor renne ich weg: vor einem Leben, in dem ich für meine Mutter eine ständige Enttäuschung bin, einem Leben, in dem ich mein wahres Ich ersticken muss. Ein Leben voller Regeln, Regeln und noch mehr Regeln!
»Sie hat gegen unser heiligstes Gebot verstoßen«, verkündet Severin.
Ich zucke zusammen. Fliege nur im Schutz der Dunkelheit.
Wahrscheinlich trägt der Umstand, dass ich beinahe von
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