Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
ausharre und lausche. Aber alles bleibt still. Nur das Flüstern des Waldes und das leise Seufzen des herabfallenden Wassers sind zu hören.
Keine Männer. Keine Jäger. Kein Will.
Ich runzle die Stirn. Aus irgendeinem Grund stört mich das. Ich werde ihn niemals wiedersehen. Niemals wissen, warum er mich nicht verraten hat. Niemals erfahren, ob er wirklich das geflüstert hat, was ich zu hören geglaubt habe: wunderschön .
In diesem kurzen Augenblick habe ich mich mit ihm verbunden gefühlt. Irgendwie ist es einfach passiert, auch wenn ich es mir nicht erklären kann. Ich war mir so sicher, dass er mich auffliegen lässt. Mitleid gehört nicht gerade zu den Stärken der Jäger. Sie sehen in uns nur ihre Beute. Wir sind für sie nichts anderes als niedere Kreaturen, die man zerstören und an unsere größten Feinde verkaufen kann – die Enkros. Seit Beginn der Menschheit gieren die Enkros nach den Kräften der Drakis und sind davon besessen, uns in unsere Einzelteile zu zerlegen oder uns für ihre Zwecke gefangen zu halten. Sie haben es auf die magische Kraft unseres Bluts abgesehen, auf unsere panzerartige Haut und unsere Fähigkeit, Edelsteine tief im Erdreich auszumachen. Für sie sind wir keine Lebewesen mit einer Seele oder einem Herz.
Also warum hat Will mich gehen lassen? Sein außergewöhnliches Gesicht hat sich in meine Erinnerung eingebrannt: sein glänzend nasses Haar, der intensive Blick seiner dunklen Augen. Dabei sollte ich eigentlich an Cassian denken – er ist meine Bestimmung. Das habe ich akzeptiert, auch wenn ich sogar das Tageslicht riskiere, um ihm zu entkommen.
Ich warte, bis ich die feuchte Kälte meines Verstecks nicht mehr ertragen kann. Noch immer bin ich auf einen Hinterhalt gefasst und verlasse meine Höhle nur vorsichtig, um mich ins eisige Wasser gleiten zu lassen. Dann klettere ich die zerklüftete Felswand hoch und schlage dabei nach Kräften mit meinem unverletzten Flügel, dessen Flugmembran vor Anstrengung ganz straff gespannt ist und wehtut.
Mit einem letzten Keuchen ziehe ich mich nach oben, wo ich zusammenbreche und das volle, lehmige Aroma des Bodens einatme. Ich schlage meine Klauen in die feuchte Erde. Ein Summen durchfährt meinen Körper und gibt mir neue Kraft. Das Vulkangestein tief unten im Erdreich schnurrt wie eine schlafende Katze. Ich kann es spüren – kann es hören, fühlen und davon zehren.
So fühlt es sich immer an, diese Verbindung zur fruchtbaren, reichen Erde. Das wird meinen Flügel heilen, keine der Arzneien, die die Menschen herstellen. Ich schöpfe meine Kraft aus der pulsierenden, Leben spendenden Erde.
Im Nebel, der sich behutsam an mich schmiegt, liegt der Geruch von Regen. Ich stehe auf, lasse mich einhüllen und laufe dann zurück zum See, wo meine Kleidung und mein Fahrrad auf mich warten. Schwaches Sonnenlicht dringt durch das dichte Geäst über mir, kämpft gegen den Nebel an und taucht meine frierende Haut in rötliche Bronze.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Az es nach Hause geschafft hat, an eine andere Möglichkeit will ich gar nicht denken. Allerdings wird auch das Rudel inzwischen bemerkt haben, dass ich fort bin, und deshalb lege ich mir in Gedanken schon verschiedene Ausreden zurecht.
Lautlos tapsen meine Füße über den Boden, während ich mir einen Weg durch die Bäume bahne und auf Geräusche achte, die nicht hierher gehören, immer gefasst auf die Rückkehr der Jäger. Aber unter der Furcht versteckt sich auch Hoffnung.
Die Hoffnung, dass ein bestimmter Jäger zurückkommt und mir meine Fragen beantwortet, meine Neugierde stillt … und das eigenartige Kitzeln in meinem Bauch, das sein Flüstern heraufbeschworen hat.
Nach und nach wird mir tatsächlich ein Geräusch bewusst, das die Vögel aus den Bäumen scheucht. Meine Drakihaut fängt an zu prickeln und verändert ihre Farbe von Rot zu Gold, von Gold zu Rot.
Angst durchfährt mich, als das leise Dröhnen von Motoren allmählich näher kommt. Zuerst denke ich, dass es wieder die Jäger sind, die noch nicht aufgegeben haben.
Hat der schöne Junge doch seine Meinung geändert?
Dann höre ich plötzlich meinen Namen.
»Jacinda!« Verzweifelt hallt der Ruf durch das Labyrinth aus riesigen Kiefern.
Ich hebe den Kopf, lege die Hände wie einen Trichter um den Mund und schreie: »Hier bin ich!«
Einen Moment später kommen mehrere Fahrzeuge hart zum Stehen und ich bin umzingelt. Blinzelnd beobachte ich, wie Türen geöffnet und zugeknallt werden.
Mehrere
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