Firelight 1 - Brennender Kuss (German Edition)
Jägern getötet wurde, nicht unbedingt dazu bei, die Sinnlosigkeit dieser Regel zu beweisen.
»Es steht außer Frage, dass ihr Verhalten Konsequenzen haben muss.« Meine Mutter und Severin tauschen einen Blick, als unter den Versammelten unruhiges Gemurmel ausbricht. Zustimmende Laute. Warnend erwachen meine Drakisinne. Unruhig blicke ich von einem zum anderen – ein Dutzend Gesichter, die ich allesamt seit meiner Geburt kenne. Und nicht ein Freund in der ganzen Bande.
»Nein. Nicht das«, flüstert Mum.
Nicht was?
Sie drückt mich fester an sich und ich lehne mich an sie, brauche jetzt ihren Trost. Urplötzlich ist sie die Einzige, die auf meiner Seite steht.
»Sie ist unser Feuerspeier …«
»Nein! Sie ist meine Tochter«, fährt Mum die anderen an. Und ihr Tonfall erinnert mich daran, dass auch sie eine Draki ist, auch wenn sie das inzwischen verabscheut. Auch wenn sie sich seit Jahren nicht mehr verwandelt hat und es wahrscheinlich gar nicht mehr könnte.
»Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagt Severin unnachgiebig.
Ich schneide eine Grimasse, als Mums Finger sich trotz der Decke in meine Haut krallen. »Sie ist doch noch ein Kind. Nein!«
Endlich finde ich meine Stimme wieder und will endlich wissen, was los ist. »Was denn? Wovon redet ihr alle?«
Keiner gibt mir eine Antwort, aber das ist nichts Neues. Jeder – Mum, die Älteren, Severin – tratscht über mich, beratschlagt über meine Zukunft, gibt mir Anweisungen, aber niemals reden sie mit mir.
Mum und Severin starren sich noch immer schweigend an und ich weiß, dass Worte gewechselt werden, obwohl kein Ton über ihre Lippen kommt. Die ganze Zeit über beobachtet mich Cassian mit gierigen Blicken. Ein Zwinkern seiner violett-schwarzen Augen, und die meisten Mädchen würden ihm seufzend zu Füßen liegen, einschließlich meiner Schwester. Vor allem meine Schwester!
»Wir besprechen das später. Jetzt bringe ich sie erst einmal nach Hause.«
Schnell bringt mich Mum zum Auto. Ich werfe einen Blick über die Schulter zu Severin und Cassian, Vater und Sohn, König und Prinz. Seite an Seite sehen sie mir nach und in ihren Augen glimmt der Drang nach Vergeltung – und etwas anderes. Etwas, das ich nicht entziffern kann.
Ein kalter Schauder läuft mir über den Rücken.
4
Z u Hause wartet schon Az auf uns, die unruhig auf der Veranda auf und ab tigert – in zerrissenen Jeans und einem blauen Trägertop, das nicht annähernd so leuchtet wie die meeresfarbenen Strähnen in ihrem dunklen Haar. Als sie uns sieht, steht ihr die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.
Mum parkt und Az rennt uns entgegen durch den Nebel, der die Stadt dank Nidia immerzu einhüllt. Dieser Nebel ist für uns lebensnotwendig. So können uns Flugzeuge, die zufällig in unsere Nähe kommen, nicht entdecken.
Kaum bin ich aus dem Auto gestiegen, fällt mir Az um den Hals und zerdrückt mich fast. Ich wimmere und besorgt tritt sie zurück. »Was ist los, bist du verletzt? Was ist passiert?«
»Gar nichts«, nuschle ich und werfe Mum einen verstohlenen Blick zu. Sie weiß ohnehin schon, dass ich verletzt bin. Kein Grund, sie daran zu erinnern. »Bist du okay?«
Sie nickt. »Ja, ich hab genau gemacht, was du gesagt hast – bin unter Wasser geblieben, bis die Luft rein war, und dann nach Hause geflogen, um Hilfe zu holen.«
Ich kann mich nicht daran erinnern, ihr gesagt zu haben, dass sie Hilfe holen soll. Und ich wünschte, sie hätte es bleiben lassen, aber ich kann ihr wohl kaum übel nehmen, dass sie mich retten wollte.
»Rein mit euch, Mädchen!« Mum scheucht uns ins Haus, sieht uns dabei aber nicht an. Sie blickt über die Schulter zu Jabel, die gegenüber wohnt: Cassians Tante steht auf der Terrasse vor ihrem Haus und beobachtet uns mit verschränkten Armen. In letzter Zeit beobachtet sie uns ziemlich oft. Mum ist davon überzeugt, dass sie Severin über alles, was wir machen, Bericht erstattet. Mit einem knappen Nicken schiebt uns Mum nach drinnen. Früher waren sie und Jabel beste Freundinnen, damals, als ich noch klein war. Vor Dads Tod. Vor allem. Aber heute sprechen sie kaum mehr ein Wort miteinander.
Als wir ins Haus kommen, blickt Tamra von ihrer Müslischale hoch, die sie auf ihrem Schoß balanciert. Im Schneidersitz hockt sie auf der Couch und sieht fern – mit voller Lautstärke dröhnt das Geplapper einer alten Cartoonserie aus den Boxen. Tamra sieht gar nicht so aus, als wäre sie »krank vor Sorge«, wie Mum behauptet hat.
Mum marschiert zum
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