Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
einen Blick zurück auf das pulsierende, lebendige Grün, das in so hartem Kontrast zu dem Rest dieser sterilen, kalten Unterwelt steht.
»Jacinda.« Will zieht an meinem Arm. »Wir müssen von hier verschwinden.«
»Okay«, sage ich, »lasst uns einfach von hier abhauen, bevor er bemerkt, dass die Tür offen steht.«
Wir fliehen aus dem Raum. Niemand verlangt weitere Erklärungen. Ich vermute, dass alle einfach nur glücklich darüber sind, dass wir uns endlich auf dem Weg nach draußen befinden. Ich werfe Cassian einen Blick zu. Selbst im Laufen hält er Mirams Hand fest umklammert und scheint Angst davor zu haben, sie erneut zu verlieren.
Dann zerreißt ein grauenvolles Kreischen die Luft. Ich erkenne das Geräusch sofort wieder. Ist es wirklich erst ein paar Stunden her, dass ich dasselbe Geräusch gehört habe und überzeugt war, ich würde gleich sterben?
Der Graue ist frei.
»Hier entlang!«, ruft Will und weiß auch ohne explizite Erklärung, dass das unnatürliche Geräusch von einem Wesen stammt, dem wir lieber nicht begegnen wollen.
Wir laufen einen weiteren Flur entlang und unsere Füße schlagen hart auf dem Fliesenboden auf. Ich blicke zu Tamra. In dem Schein der Notbeleuchtung wirkt ihr weißes Haar rot. So, wie es früher ausgesehen hat. So, wie meines aussieht.
Vor uns liegt eine offene Türschwelle und gleich dahinter eine breite Betontreppe.
»Das Treppenhaus«, ruft Tamra mit einem Lächeln im Gesicht.
Das erste, das ich bei ihr sehe, seit ich sie dazu überredet habe, uns auf dieser wahnwitzigen Reise zu begleiten.
Ich lächle ebenfalls. Wir sind fast da. Wir haben es geschafft.
Dann verstummen plötzlich das Geheul der Sirene und die monotone Stimme vom Band. Eine unheimliche Stille bricht über uns herein – das einzige Geräusch stammt von unseren keuchenden Atemzügen. Wir bewegen uns auf die unterste Stufe zu. Die erste Stufe Richtung Freiheit.
Die plötzliche Stille zwingt uns dazu, uns langsamer zu bewegen, und lässt uns alle innehalten. Ich zögere und sehe mich unsicher um.
Ein großer Fehler. Plötzlich schließt sich direkt vor uns eine Stahltür und riegelt das Treppenhaus ab.
Und schließt uns ein.
6
E s fühlt sich an, als würde eine Ewigkeit lang keiner ein Wort sagen, aber es können nicht mehr als dreißig Sekunden gewesen sein. Wir starren einfach nur verblüfft und ungläubig auf die Stelle, wo noch vor wenigen Augenblicken eine Treppe war.
Die Treppe, die uns hinausführen sollte.
»Wo ist der Aufzug?«, stößt Tamra hervor und dreht sich mit suchendem Blick im Kreis.
Eine zweite Aufforderung brauchen wir nicht. Es gibt noch einen anderen Weg hier raus. Riskant oder nicht, in einen Aufzug zu steigen, ist jetzt unsere einzige Chance.
Wir laufen so schnell wir können die breiten Flure entlang und die flüssigen Formen unserer Schatten fliegen auf den in rotes Licht getauchten Wänden dahin. Drakis und Menschen – die Kombination jagt mir kalte Schauer über den Rücken, besonders in dieser Umgebung hier, wo beide Welten vollkommen unvereinbar sind.
Und dann fühle ich mich schuldig, weil ich weiß, was ich bin. Und was Will nicht ist. Und ich habe bereits beschlossen, dass das keine Rolle spielt, und das meine ich auch so.
Ich schüttle den Kopf und konzentriere mich auf den Weg vor mir, auf das stetige Auftreffen meiner Füße auf dem Boden, und ignoriere das Flüstern in meinem Hinterkopf. Die Stimme, die mich daran erinnert, dass die fünf Minuten fast um sind.
Vor dem Aufzug halten wir an. Die silbernen Metalltüren sind geschlossen. Will drückt zweimal hintereinander hart auf den Knopf. Nichts. Kein Licht. Keinerlei Anzeichen dafür, dass der Fahrstuhl überhaupt funktioniert.
»Sie haben das Gebäude komplett abgeriegelt«, stellt Cassian verbittert fest.
»Was soll das heißen? Was meinst du damit?« Tamra blickt entsetzt von einem zum anderen. »Dass wir hier nicht mehr rauskommen? Nie wieder?«
»Wahrscheinlich gehört es zu ihren Sicherheitsmaßnahmen, automatisch alles abzuriegeln, wenn etwas schiefläuft – so wie dass wir hier eingebrochen sind, zum Beispiel«, erklärt Will. Er kann Tamras Worte zwar nicht verstehen, aber ihr Gesichtsausdruck spricht Bände.
»Dann sitzen wir also fest?«, frage ich kopfschüttelnd und weigere mich, das zu glauben. »Für wie lange?«
»Sie wollen nicht riskieren, dass einer von uns entkommt«, verkündet Lia.
Ich brumme voller Abscheu. Wir hätten nicht zurückgehen und den Grauen befreien
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