Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
unmöglich. Die Zeit läuft uns davon und ich werde auf keinen Fall meine letzten Minuten einfach vergeuden.
Ich berühre sein Gesicht, lasse meine Finger über sein Kinn gleiten und bedeute ihm mit einer sanften Geste, zu mir herzusehen. Worte stehen uns jetzt nicht zur Verfügung. Und ich kann gerade nicht meine Menschengestalt annehmen. Ich brauche meine gesamte Stärke und als Draki bin ich am stärksten. Aber er kann mich sehen und mir mit dem Herzen zuhören.
Sein Blick wirkt forschend und besorgt. Er scheint fieberhaft nach einer Möglichkeit zu suchen, uns zu retten. Mich. Ich weiß, dass er sich mehr Sorgen um mich macht als um sich selbst. Das ist typisch er. Typisch Will. Er ist gut, fürsorglich, selbstaufopfernd. Und deshalb habe ich ein umso schlechteres Gewissen, dass ich ihn in das hier mit reingezogen habe – in meine Welt.
Ich lächle ihn an und streiche ihm mit dem Daumen über die Lippen. Seine haselnussbraunen Augen blitzen auf und er versteht, was ich ihm sagen will. Er senkt den Kopf und küsst mich rasch.
Wenn das das Ende ist, dann ist es im Grunde gar kein so schlechter Abschied von der Welt. Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und streichle seine weiche Haut, die sich so viel kühler anfühlt als meine eigene. Es ist mir egal, dass wir nicht allein sind. Ich blende alles um uns herum aus und konzentriere mich auf Will. Auf uns. Ich werde nicht zulassen, dass man uns das wegnimmt.
Auch seine Lippen fühlen sich kühl an. Das stört mich nicht. Die Unterschiede zwischen uns, was ich bin, was er ist, was wir nicht sind … nichts von alledem ist jetzt noch wichtig.
Frustration steigt in mir hoch, Irritation … und ein unbestimmter Schmerz macht sich in meiner Brust breit. Ich versuche erneut, mich ausschließlich auf Will zu konzentrieren. Das ist mir bisher nie schwergefallen. Doch jetzt wächst dieser unerklärliche Schmerz in mir weiter an und gewinnt an Intensität. Ich mache einen Schritt zurück und reibe mir wieder die Stelle in der Mitte der Brust.
»Was ist los?«, fragt er besorgt.
Benommen schüttle ich den Kopf und japse nach Luft. Schmerzen. Jetzt werden sie auf einmal von einem Pochen begleitet. Ich blinzle gegen eine rot leuchtende Welt an, schaue mich um und sehe Cassian ein paar Meter entfernt von mir stehen. Er hat seine Drakigestalt angenommen.
Er schlägt mit den Fäusten gegen die Wand, bis purpurnes Blut nass auf seinen Fingerknöcheln glänzt. Ich zucke zusammen und winde mich innerlich, während der Beton unter der Wucht seiner Schläge nachgibt und in Stücken zu Boden fällt. Mir war schon immer klar, dass er stark ist. Alle Onyxdrakis sind das. Mein Vater war es auch. Aber Cassian so zu sehen, ihn zu spüren …
Ich balle die Hände abwechselnd zu Fäusten und löse sie wieder. Das Echo seines Schmerzes vibriert in meinen Knochen, sein Zorn pulsiert in meinen Adern wie Gift. Den Bruchteil einer Sekunde lang befürchte ich, dass Will und ich der Grund dafür sind … unser Kuss. Meine Wahl ist gefallen, doch das bedeutet noch lange nicht, dass ich Cassian wehtun will. Am allerwenigsten jetzt, da wir möglicherweise nicht mehr lange zu leben haben. Ich will ihm keine Schmerzen bereiten.
Ich spüre tiefer in mich hinein … und versuche herauszufinden, was ihn zu diesem irren Verhalten treibt. Ist er einfach übergeschnappt? Miram ruft verzweifelt seinen Namen. Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie ihren Bruder noch nie so außer Kontrolle erlebt hat. Cassian ist immer der Beständige gewesen, ruhig und stark.
Dann wird mir klar, dass er jetzt allein ans Überleben denkt und daran, von hier zu entkommen.
Ich sehe zu, wie er auf die Wand losgeht. Seine Muskeln sind angespannt und zeichnen sich deutlich unter seiner schwarzen Haut ab.
Er schlägt wie verrückt auf den Beton ein. So sinnlos das auch sein mag, es ist ihm völlig egal. Seine Verzweiflung sickert in mich hinein und ich mache einen halben Schritt nach vorn … als wäre ich ebenso verrückt wie er, als wolle ich ihn unterstützen bei dem, was er da gerade macht.
Ich bleibe stehen und schüttle den Kopf. Das fällt mir immer noch schwer … unsere Gefühle auseinanderzuhalten, seine von meinen zu trennen.
»Was machst du denn da?«, rufe ich. »Du kannst die Wand nicht durchbrechen. Wir befinden uns unter der Erde!«
Ich bewege mich auf ihn zu, doch Will klammert sich an meinen Arm und hält mich zurück. Er hat wahrscheinlich Angst, dass ich
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