Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
aber nicht von der Stelle. Das Geräusch war so laut, daß die Tischplatte zu schwingen begann. Es hörte sich an, als würde ein ganzes Heer von Klopfkäfern im Pogorausch mit den Schädeln aufeinander losrennen. Courgette hielt sich die Ohren zu. Der Krach wurde qualvoll. Ch’tin hoppelte über die vibrierende Tischplatte, als die Impulszahl der Oszillationen der Tasse anstieg. Auch das Buch setzte sich in Bewegung. Courgette hatte das Gefühl, als ratterten ihre Zähne in den Zahnhöhlen.
Dann zerplatzte die Tasse mit einem scharfen Knall – die inneren Spannungen waren zu groß geworden. Tausend winzige Splitter sausten durch die Luft, das Wasser schwappte auf den Tisch und spülte Ch’tin über die Kante. Nach dem Lärm der letzten Minuten schmerzte die jäh eingetretene Stille beinahe. Courgette nahm die Hände von den Ohren und starrte entgeistert auf Hogshead und den Haufen nasser Keramikscherben. Hogshead war bleich. Er wirkte so ausgezehrt, als hätte ihn ein Vampirlehrling zu Übungszwecken benutzt. Aber trotz aller körperlichen Erschöpfung leuchteten seine Augen, ein Wort stand deutlich in ihnen geschrieben: das Wort ›Sieg‹. Und wer Hogshead kannte, den verwunderte es nicht, daß es falsch geschrieben war. Mit ohne ie, wie er das nannte.
Was nun den Vorgang der Levitation anging … Diesbezüglich war der magische Akt möglicherweise ja ein kompletter Flop gewesen. Und trotzdem war etwas anders geworden. Hogshead hatte die Tasse nicht angefaßt. Niemand hatte sie angefaßt. Aber auf irgendeine Weise – durch den Einsatz von Worten und Geräuschen – hatte er sie tatsächlich bewegt. Er war erschöpft und gleichzeitig euphorisch. Er wollte mehr. Er konnte es. Magie! Er besaß magische Kräfte.
Unter dem Tisch hörte Courgette ein klägliches sprudelndes Geräusch. Ch’tin hatte den Mund voll Wasser, er würgte und spuckte und rappelte sich mühsam hoch. Sie setzte ihn auf den Tisch. Sein Gesicht, das auch sonst schon wie ein wüstes Geknäuel aus schauerlichen Mandibeln und Glotzaugen wirkte, war jetzt grotesk verzerrt und sah aus wie ein wimmelndes Nest voll aufgerissener Schnäbel und anderer Freßwerkzeuge.
»Mit Absicht du das nicht habe ich recht gemacht hast, hä?« quiekte er Hogshead herausfordernd an. Er war verärgert. Und wie immer, wenn er verärgert war, verfilzte sich seine Sprache heillos.
Hogshead sah Ch’tin an, der naß und dampfend auf dem Tisch hockte. Fehlt nur noch, daß von den wütend kreiselnden Fühlern Funken abspringen, dachte er und lachte. Courgette schauderte beim Klang dieses Lachens. Das war nicht das Lachen, das sie von ihm kannte. Es war anders, war kälter, härter. Und es klang gierig. Sie starrte Hogshead an, der auf den Trümmerhaufen auf dem Tisch blickte. Er sah eigentlich nicht anders aus als sonst immer. Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Hatten ihr möglicherweise die Ohren einen Streich gespielt, oder war auf Hogsheads Lachen tatsächlich ein Echo gefolgt …?
Im Privatgemach des Königs, das hinter dem Konferenzsaal lag, saß Firkin und faltete einen Pergamentflieger. Die Zungenspitze wanderte aufregt von einem Mundwinkel zum anderen, er konzentrierte sich auf die letzten Kniffe und Falze, richtete die Nase genau aus, stellte die Flügel im richtigen Winkel ein und bewunderte dann zufrieden lächelnd sein Werk.
»Fertig«, sagte er. »Wollen wir einen Probeflug machen?«
»Mmmmm«, brummte Klayth abwesend und lümmelte sich in die Sitzkissen, mit denen sein Privatgemach möbliert war. Neben ihm saß sein abgewetzter, ramponierter Teddy und sah ihn glasäugig verwundert an. Firkin hätte nicht sagen können, welcher von den beiden den aufgeweckteren Eindruck machte. Klayth hatte seit Stunden nicht viel mehr als »Mmmmm« von sich gegeben. Er war ausgebrannt, die Hetzjagd von einer Versammlung zur anderen, die Teilnahme an Gesprächen, Einweihungen, festlichen Banketten und unzähligen anderen Veranstaltungen und Pflichtterminen – das alles war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Firkin sah genau, daß ihm die Belastungen des Herrscheramts allmählich über den Kopf wuchsen. Und er sah auch, daß es noch viel schlimmer kommen würde. Es sei denn … Der winzige Funke der plötzlichen Eingebung blinkte auf in der tiefen schwarzen Leere der Verzweiflung … Es sei denn, dachte er mit der hoffnungslosen Naivität des unheilbaren Optimisten, es sei denn, ich finde einen Weg, um seine Probleme zu lösen und alles wieder in Ordnung zu
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