Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum
Kopf, er war deutlich bleicher als sonst. Er packte Vlad und stieß ihn mit der Nase gegen das Okular: »Was siehst du? Sag mir ganz genau, was du siehst!« Fisk sprach mit so großen Nachdruck, daß Vlad ohne weiteres gehorchte. Er hatte diesen Ton noch nie gehört.
»Himmälhohe Feierseilän … und Rauch … und, äh …«
»Ja? Was?«
»… no, Bärge, ganze Mänge Bärge …«
»Sonst nichts? Am Himmel, meine ich?«
»… äh, nix … oba, oba doch! …«
»Siehst du’s? Ja?«
Vlad wandte sich ab vom Anblick des flammenden Infernos.
»Dos is … dos is«, stotterte er, »… dos is ein Drachä!«
»Aber es gibt doch in Isolon keine Drachen!«
»Schaut nicht so aus, wie wenn von Isolon noch so viel ibrig ist, daß äs do iberhaupt wos nicht gäben kännte!«
»Und was macht er? Sag schon, was tut er?« kreischte Fisk, ohne auf Vlads Überlegungen einzugehen.
»Z… z… zindeln! Zindet alles an!« zischte Vlad. Er war begeistert vom Anblick des Flammenmeers. »Fackält Isolon ab …«
»Ist ja gut, ist ja gut!«
»Zärstärt alles … värsängt das ganze Land … lägt olles in Schutt und Aschä …«
Als Fisk Vlad so reden hörte, wurde sein Blick kalt und starr … Er dachte an die Zukunft. Plötzlich sah er ihn vor sich, den Ausweg aus seinem unterirdischen Schattenreich. In Sekundenschnelle hatte er es erkannt: Der Drache ebnete ihm den Weg, der in eine neue, eine wunderbare Zukunft führte! In eine Zukunft, wo die Furcht vor König Kharthezsh längst vergessen war, wo die Leute ihm wieder ein wenig mehr von jener Hochachtung entgegenbrachten, die er so sehr verdiente … weil sie sonst sterben mußten!
»Das ist es!« knurrte Fisk. Er rieb sich die Hände (und das Leder sang quietschende Hymnen der Freude), auf seinem Gesicht erblühte wieder jenes böse, feixende Grinsen, das er während der letzten verdrießlichen Monate schon beinahe verlernt hatte. »Das! Ist! Es!«
»Wos? Is? Äs?« krächzte Vlad entgeistert.
»Meine Chance! Meine Gelegenheit! Hervorragend, ganz hervorragend! Packen wir’s an!« Wir der Blitz war er aus der Turmstube, sauste die Wendeltreppe hinunter, rannte zu seinem unterirdischen Thronsaal – und hatte plötzlich das Gefühl, als legte er diesen Weg zum allerletzten Mal zurück. Nur einmal unterbrach er seinen hastigen Abmarsch und holte aus einer kleinen Abstellkammer eine Kürbisflasche aus Ton, einen großen Weidenkorb und eine Dose mit weißer Farbe.
Auf einer der unzähligen kleinen Bänke, die die gelbe Teerstraße säumten, fuhr ein Mann, der einen saxofranfarbenen Umhang und den dazu passenden Spitzhut trug, urplötzlich kerzengerade aus dem Schlaf hoch und rannte zu seiner Hütte. Der Waldkauz, der das von einem Baum aus beobachtete, war so überrascht, daß er ein würdeloses Kreischen ausstieß. Hastig schlang er die letzten Reste der vor kurzem geschlagenen Wühlmaus hinunter und flatterte schleunigst hinter dem Zauberer her, der schon kaum mehr zu sehen war.
»Ich hab Hunger«, jammerte Dawn. Schätzungsweise zum fünfzigsten Mal innerhalb von schätzungsweise ebenso vielen Minuten.
»Klappe halten, weitergehen!« fuhr Firkin seine kleine Schwester an.
Sie schlichen durch den Wald, in dem Schloß Isolon lag, das zum größten Teil in Flammen stand. Immer wieder sahen sie huschende Silhouetten, die in alle erdenklichen Richtungen sausten und eimerweise Wasser aus dem Schloßgraben über den Wall schütteten – es war ein mäßig erfolgreicher Versuch, das Feuer unter Kontrolle zu bekommen. Karren, Schafe, Pferde und alle möglichen von panischem Schrecken ergriffenen Isolonier strömten aus dem Haupttor und über die Zugbrücke, während der pyromanische Drache mit brüllendem Lachen immer und immer wieder vom Himmel herabstieß und wahllos alles, was ihm leichtentzündlich schien, in Brand steckte.
»Bist du sicher, daß wir nach Cranachan müssen?« fragte Hogshead ängstlich.
»Bin ich. Hast du nicht gehört, was Pit Pendler gesagt hat? Klayth ist in Cranachan.« Firkin drängelte, es ging ihm nicht schnell genug voran. »Deswegen war er ja nicht bei dem Hängen!«
»Aber das ist ja ewig weit!« quengelte Dawn. »Und ich hab Hunger!«
Firkin drehte sich um, um Dawns Gejammer nicht mehr hören zu müssen, und marschierte los. Marschierte weiter auf die Berge der Krapathen zu, die in der schnell hereinbrechenden Abenddämmerung dunkel vor ihnen aufragten.
Unablässig brausten die Feuer, unaufhörlich zischte das siedende
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