Firkin 04 - Hundstage
zu sagen, steckte ihn eine Reihe flinker Hände in eine Zwangsjacke ökologisch freundlicher Doppelnelsons, und man schleifte ihn im Polizeigriff zum nächsten Vertreter des Gesetzes. Für Frau Bidets schäumenden Geist und ihre knirschenden Backenzähne gab es nur eine Sache, die schlimmer war als ein mit allen Schikanen ausgerüsteter Drachenmörder: ein mit keinerlei Schikanen ausgerüsteter Blitzer.
In die raucherfüllte, alkoholgeschwängerte Atmosphäre der Taverne Zur Gosse stürmte ein verzweifelt zitternder Fremder. Seine Nerven feuerten aus jedem verängstigten Zylinder, denn er war gerade erst dem Schicksal entgangen, der nächste fußgroße klebrige Heck in einer cranachischen Gasse zu werden. Rutgers adrenalintrockenes System gierte nach einem Getränk. Er klapperte aufgeregt über den sägemehlbestreuten Boden, wich fachmännisch wogenden Leibern aus, schnappte sich einen Hocker und bat mit hechelnder Zunge um einen Humpen. In einer dunklen Ecke grölte eine Meute von Fuhrleuten schweinische Lieder und soff mehr Bier, als für die weitere Funktion ihrer Leber gut war.
Rutger streckte eine verzweifelte Hand aus, als über den Tresen hinweg ein Lederbecher auf ihn zuschoß. Er schnappte ihn, haute den Viertelliter in Null Komma nichts weg und sabberte in der üblichen cranachischen Zunge nach einem neuen.
Die Fuhrleute stimmten gerade eine besonders monotone Wiedergabe von ›Vierundzwanzig Mägdeleyn‹ an, als Magnus der Fuhrmann halbwegs hochschwankte und zum Tresen ging, um noch eine Runde zu holen.
»Ihr seid heute abend aber gut bei Stimme!« rief die Barjungfer und füllte aus einem der vielen aufgestapelten Fässer einen Humpen ab.
»Hamwassufeiern«, nuschelte Magnus, spielte lässig mit der aufgerollten Rhinopeitsche und kam sich äußerst verführerisch vor.
»Was Schönes?« fragte die Barjungfer fröhlich.
»Freiheit!« trompetete Magnus freudig. »Freiheitunbier!«
»Hamse dir eingelocht, Hasi?« gackerte die schrille Stimme einer Frau, die mit kaum mehr als etwas zuviel Make-up bekleidet war. »Warum denn? Klöpperei?« schrillte sie, beugte sich um einige Grad weiter vor und stellte fachfrauisch einen Haufen ihres Gemopses zur Schau. »Ich hab nette muskulöse Schläger hin und wieda gern!«
»Haltefresse, Erna!« schrie die Barjungfer. »Er is mein Kunde! Laß ihn erst noch ain trinken. Dich kanner doch immer noch ham! – Dat gleiche noch mal?« fragte sie Magnus.
Der Kutscher nickte und beäugte einschätzend Ernas Gemopse. Sein Blick wurde wäßrig, als er an die Tiefen des Foh-Passes dachte.
»Was haste denn angestellt?« fragte Erna.
»Wat?«
»Wie lang haste denn gesessen?« Ernas Fußgelenk streichelte Magnus’ Unterschenkel. »Du kannstet kaum noch aushalten, wat?« gurrte sie und zog ihre Halskette aus feingeschlagenem Blutrot und Perlendreiecken gerade.
»Drei Tage!« rief Magnus, während ihre Kette zu einer Reihe rotweißer Kegel wurde, die sich endlose Meilen vor ihm auszustrecken schienen. »Hab drei Tage auf der Straße festgesessen! Scheiß-Ausbauprojekt! Drei Tage konnte ich nicht da weg! Und alles nur wegen der dämlichen Zwerge! Ham gestreikt oder so was! Aber wir hams ihnen gezeigt, he, he!«
»Und getz bisse hia, nich?« säuselte Erna und schüttelte den Kopf, als frage sie sich, ob er denn wirklich hier sei.
»Alles nur wegen der beschissenen Zwerge …« Magnus hielt plötzlich inne. Irgendwie war es seinem Blick trotz der wimmelnden Massen an der Theke gelungen, sich auf den kleinen Rutger einzuklinken, der gerade gierig den dritten Humpen schlabberte.
Ein unirdisches Grollen kam durch die zusammengebissenen Zähne des Fuhrmannes, als seinem alkoholisierten Geist die Einzelheiten der letzten drei Tage einfielen. Die Zwerge hatten die Straße absichtlich in diesem Zustand gelassen. Sie hatten die ganze Zeit hier verbracht, um in der Gosse einen zu saufen und sich kaputtzulachen. Tja, wo sollten diese Kleinkaliber-Entwässerungstechniker wohl sonst gewesen sein? All das hatten sie getan, um ihn persönlich auf die Palme zu bringen. Plötzlich wurden in seinem Geist eigenartige Verbindungen erstellt. Sie machten die letzten drei Tage, die er zitternd und prügelnd am Foh-Paß verbracht hatte, zu etwas viel Schlimmerem … zu irgend etwas viel Persönlicherem.
Rutger verspritzte einen kreisenden Mundvoll Aerosolbier über die riesige Pranke, die aus dem Dunkel hervorschoß und seine Kehle umklammerte. Er würgte, als der glitzernde Arm ihn von
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