Firkin 05 - Fahrenheit 666
rund um die Uhr, erbärmlich, qualvoll, verzweifelt … Die Schreie, die gerade aus der völlig überfüllten und viel zu engen Einwanderungsbaracke in seine Ohren drangen, hörten sich jedoch weniger elend, sondern vielmehr äußerst verärgert an.
»Ich frage dich jetzt zum fünften Mal!« beschwerte sich ein großer Mann in einer Tarnsoutane, dem ein Pfeil im Auge steckte. »Wo sind wir?«
»Und ich hab dir schon fünfmal erklärt, daß sich auf der anderen Seite des Flusses alles für euch aufklären wird«, seufzte ein hinter einem Schreibtisch sitzender Dämon.
»Und wie kommen wir auf die andere Seite?« fauchte Mönchshauptmann ›Dicki‹ Succingo (verstorben). »Sollen wir rudern? Oder schwimmen? Oder sollen wir uns solche schwimmenden kleinen Dinger mit Pedalen mieten?«
Der Einwanderungsdämon blickte den stoppelhaarigen Mann mürrisch an und krächzte spöttisch: »Tretboote gibt’s schon lange nicht mehr, wir sind da schon etwas weiter. Wir haben jetzt Fähren, eine ganze Armada sogar.«
Succingo spähte durch seinen Pfeil hindurch. »Ich sehe aber keine Schiffe!« stellte er klar.
Der Dämon seufzte erneut. »Ja, das kannst du auch nicht. Die Fährmänner streiken gerade, hat etwas mit der Bezahlung und den Arbeitsbedingungen zu tun.«
»So ein verdammter Mist! Wenn das so ein hinterlistiger Streich von den D’vanouinen ist, dann werde ich …«
»Was wirst du dann, hä?« zischte der Dämon.
»… dann werde ich dafür sorgen, daß du mir dafür bezahlst!« brüllte Succingo mit knirschenden Zähnen.
»Du redest ganz schönen Käse, Freundchen«, erwiderte der Dämon in abfälligem Ton und stieß seinen dösenden Partner an, während er sich schon auf seine Lieblingsantwort freute, die er in solchen Situationen zu geben pflegte. »Du bist derjenige, der hier zu bezahlen hat, und zwar eine einfache Fahrt auf der Fähre! Ha, ha!«
Succingo knurrte etwas nicht Druckreifes und drängelte sich durch die grotesk verstümmelte Horde wartender Passagiere.
Ein ehemaliger AS-Mönch von der achtzehnten Orgeldivision spähte betrübt an der Lanze vorbei, die in seinem Brustkasten steckte. »Ich hab’s dir ja gesagt«, grunzte er. »Das hier ist Helian.«
»Nein, nein!« widersprach sein Kollege heftig, der seinen Kopf mit der rechten Hand hochhielt. »Das hier ist das Fegefeuer.«
»Das kann nicht sein. Die Beleuchtung ist im Himmel bestimmt viel besser, und abgesehen davon: Sieht so ein gewöhnlicher Engel aus?« Lachend zeigte er auf den Teufel.
»Gibt’s im Fegefeuer überhaupt Engel?«
»Natürlich. Ich hab schon mal so eine Grenzerfahrung gemacht, wo ich fast abgenippelt wäre, und hab dabei eine ganze Heerschar von goldenen …«
»Pssst!« zischte Flagit, als Succingo sich ihm näherte. »Willst du wissen, was auf der anderen Seite ist?« flüsterte er und winkte einladend mit einer Klaue.
»Sprichst du mit mir?« fuhr der Exmönchshauptmann ihn an und schielte so bedrohlich wie möglich an seinem Pfeil vorbei, was durchaus recht eindrucksvoll wirkte.
»Du hast doch eben den ganzen Krach da drinnen veranstaltet, stimmt’s? Also, willst du nun ein paar Antworten auf deine Fragen haben oder nicht?«
Succingo beäugte Flagit argwöhnisch, dann stolzierte er achselzuckend zu ihm hinüber; ohne zu wissen, wie man eindrucksvoll stolziert, hätte er es niemals bis zum Mönchshauptmann gebracht. »In Ordnung, du Klugscheißer, dann verrat mir mal, wo wir hier sind.«
»Nicht so hastig«, wich Flagit aus. »Ich verschenke meine Antworten nicht. Wie wär’s mit einem kleinen Handel?«
»Na gut, was willst du wissen?« knurrte Succingo. Obwohl es ihm unwillkürlich in den Fingern juckte, nach seiner treuen Uri-9-mm-Antiketzerarmbrust zu greifen, gelang es ihm, den Dämon fest anzusehen; pfeilgerade sozusagen.
»Warum bist du hier?« flüsterte Flagit, wobei sich die vier Wörter schneidend wie Rasierklingen anhörten.
»Ha! Zuerst sagst du mir vielleicht mal, wo ›hier‹ überhaupt ist«, schlug Succingo grinsend vor.
Flagit knirschte ungeduldig mit den Zähnen. »Ich gebe dir einen Tip. Hörst du, wie dieses unmenschliche Heulen unersättlich widerhallt? Der Lärm geht von einem sehr hungrigen Wachhund aus, der drei Mägen und die dazu passenden und immer gierig sabbernden drei Mäuler hat. Der süße kleine Zerbie sorgt übrigens dafür, daß ihr alle hier drinnen bleibt!«
»Ach, dann nehme ich an, daß das da der Phlegethon ist, richtig?« antwortete Succingo mit sarkastischem
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