Firkin 05 - Fahrenheit 666
mit den Antworten, die Sie mir gegeben haben, und den ach so ordentlich in die Ecke gestapelten Beweisen ist es ebenfalls meine Aufgabe, Sie im Namen des Herrn zu verhaften.« Ach, toll! Er hatte es wirklich gesagt! Welch ein Triumph! In vierzehn Jahren Ausbildung konnte man soviel lernen!
»Was ist los?« kreischte Gravur und erschauderte, als er die Narben auf der Stirn des Künstlers sah.
»Ich, Seelenwachtmeister Knalli J’hadd vom Geheimdienst zur Unterwanderung religiöser Untergrundaktivitäten, verhafte Sie, mein Freundchen, und zwar wegen Anstiftung zum illegalen religiösen Aufruhr, indem Sie gefälschte Schriften als echt herausgegeben haben. Außerdem gibt es achthundertsechsundfünfzig weitere Anklagepunkte zweiten Grades und den Vorwurf der Einmischung in die Amtsgeschäfte des GURU. Kurz gesagt, ich verhafte Sie, weil Sie die Herdenkriege angezettelt haben!« J’hadd stieß einen lauten Pfiff aus. Die Tür und drei Fenster sprangen auf, und unzählige durchtrainierte, uniformierte Seelenwachtmeister platzten herein. Binnen weniger Sekunden war Gravur unter einem Haufen wallender blauer Priestergewänder begraben. Zumindest wäre genau das geschehen, wenn Knalli daran gedacht hätte, das Hauptquartier zu informieren, aber im Eifer des Gefechts hatte er das total vergessen … Also gab es noch eine Menge zu tun, bevor er seinen großen Coup landen konnte … zumal es sich dabei um seinen allerersten handelte.
»Sie haben das Recht zu schweigen«, wimmerte J’hadd, der vom anfänglichen Elan bereits einiges eingebüßt hatte. Was hatte er sich noch mal für diesen Teil ausgedacht? Jetzt sollte so etwas wie eine Drohung kommen, ähm … ach, ja! »Aber Sie werden bestimmt nicht mehr schweigen wollen, wenn Sie erst einmal all die schönen Methoden kennenlernen, die wir zu Verfügung haben, um Geständnisse aus jemandem herauszupressen! Schafft ihn weg, Jungs … ähm, kommen Sie mit mir zur Wache!«
Seelenwachtmeister J’hadd grinste verstohlen in sich hinein, denn er war sich nicht ganz sicher, ob er mit seinem Vorgehen bereits die gewünschte Wirkung erzielt hatte oder ob das Ganze noch ein bißchen mehr Schliff brauchte. Aber immerhin hatte er den Übeltäter gefaßt.
J’hadd stieß Gravur einen griffbereiten Stock ins Kreuz. Dann marschierte er los und blieb zwischendurch nur noch einmal kurz stehen, um sich einen Stapel belastender Schriftsatzrahmen unter den Arm zu klemmen sowie einige Lithographien, auf der einige besonders stark behaarte Engel abgebildet waren.
Als er schließlich die Werkstatt verließ, überkamen ihn ungeahnte Glücksgefühle. Er hatte den für die Herdenkriege verantwortlichen Täter auf frischer Tat ertappt.
Na ja, ›auf frischer Tat‹ war vielleicht etwas übertrieben, aber bei solch schwerwiegenden Straftaten durfte man das Haltbarkeitsdatum nicht so genau nehmen. J’hadd tätschelte die von einem Kamelhuf eingedrückte Ausgabe eines gewissen ›Heiligen‹ Buches und hegte nur noch den Hauch eines Zweifels bezüglich seines entschlossenen Vorgehens; er war doch nicht zu grob gewesen, oder?
»Warte hier«, zischte Flagit, während er auf der anderen Seite des Phlegethon aus Naglfars Fähre stieg. Der pechschwarze Schlick sickerte in die von ihm hinterlassenen Hufabdrücke. »Und verhalte dich ruhig.«
»Natürlich«, knurrte Naglfar. Er stellte die infernalische Verbrennungsmaschine auf Leerlauf, lehnte sich gegen den Mast, nahm einen tiefen Zug aus der dampfenden Pfeife und schmunzelte. Nach seiner Auffassung würde sich Flagit bestimmt nicht lange dort aufhalten; das war beim ersten Besuch auf dieser Seite des Flusses nämlich so üblich.
Vorsichtig kletterte Flagit das steinige Ufer hinauf, versteckte sich so gut wie möglich hinter einem geeigneten Felsbrocken, was bei den fast einen Meter langen Teufelshörnern auf dem Kopf gar nicht so einfach war, und spähte zu der Einwanderungsbaracke hinüber. Natürlich wußte er, daß er nicht hier sein durfte. Wenn ihn die Malebranche beim Seelenschmuggel erwischen würde, dann … Aufgeregt sprang er hinter dem Steinfelsen hervor, rannte die kurze Strecke zur Barackenwand hinüber, drückte sich flach in einen beschatteten Abschnitt und lauschte; der Krach, der ihm dabei entgegenschlug, hätte ihn fast umgehauen.
Über die Jahrhunderte, die er bereits in Helian verbracht hatte, waren ihm die ständigen Hintergrundschreie der unter Höllenqualen leidenden Seelen längst vertraut geworden. Ihr Klagen erklang
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