Firkin 05 - Fahrenheit 666
Artikel eben aus dem Lagerhaus eines anderen geklaut werden, was so ziemlich dasselbe war). Darüber hinaus verfügte er über das notwendige Personal, um die Waren auf den Wagen zu laden. Doch am wichtigsten war für Khar Pahcheeno, daß auf sämtlichen Artikeln eine enorme Gewinnspanne lag, die großzügig verdreifacht werden sollte, falls er alles bis zum morgigen Abend liefern könnte.
»Bis wann?« krächzte er erschrocken und starrte Quarz mit verzweifelter Miene an. Na ja, zumindest starrten seine Augen, denn in Gedanken sah er unzählige Taler außer Reichweite fliegen.
»Ja! Genau das hab ich gesagt. Bis morgen abend, wenn Sie den Bonus einstreichen wollen.«
Khar Pahcheeno schüttelte den Kopf und unterdrückte eine Träne des Bedauerns. Was für eine unsägliche Verschwendung, wenn dieses Geld nicht in seine Hände fließen sollte! Es war so unfair! Sechzehn Vierzigtonnergespanne standen ihm zur Verfügung und mehr Nashornfutter als nötig. Trotzdem konnte die Lieferung an den Zentaur-Vergnügungspark nicht pünktlich erfolgen. Als er noch einmal den Pergamentstapel durchging, der die Listen mit den ›erforderlichen Lebensmitteln für die Schlaraffensuite‹ enthielt, zitterte seine Unterlippe. Allein die Schokoladenplätzchen würden schon drei Ladungen ausmachen, und das bei zwei Fahrten pro Wagen! Die ganze Auslieferung dürfte mindestens vier Tage dauern, und sie müßten rund um die Uhr arbeiten, und das zum Teil mit von der Konkurrenz gewaltsam entführten Nashornkutschern! Er mußte der Tatsache ins Auge sehen, daß es einfach nicht zu schaffen war. Auf Wiedersehen, dreifacher Bonus!
Quarz klopfte zum Abschied noch einmal bedeutungsvoll auf die Listen, grinste unverschämt und spurtete im Eiltempo aus dem Lagerhaus hinaus. Er wurde nicht einmal langsamer, als ein neunjähriges Mädchen, das eine ›geborgte‹ dunkelblaue Jacke trug, aus dem Schatten hervorsprang und ihm einen fragenden Blick zuwarf. Er sprintete einfach mit erhobenem rechten Arm weiter, sprang ein Stück in die Luft, klatschte die Hand des Mädchens wie bei einem Staffellauf ab und verschwand mit einem hinterhältigen Zwinkern.
Diese Geste sagte alles. Viel Erfolg! Du bist jetzt an der Reihe, Mädchen. Los, du schaffst das schon! Los, los, los!
Im Büro des Lagerhauses streichelte Khar Pahcheeno schluchzend seine Lieblingsratte und suhlte sich im Jammertal verlorener Einnahmen.
Plötzlich war das Geräusch von schnellen Schritten zu hören, die sich ihm rasch näherten. »Nachricht für Herrn Pahcheeno! Nachricht für Herr Pahcheeno, bitte!« trällerte das kleine Mädchen in der blauen Uniform und winkte mit einer fest zusammengeschnürten Pergamentrolle.
Der Mann im pechschwarzen Anzug streckte die pompös beringte Hand aus, die Rolle fiel hinein, und das Botenmädchen rannte wieder davon. Alles ging schneller als bei einem Weltrekordversuch im Staffellauf.
Pahcheeno blinzelte, wischte sich die feuchten Augen trocken und öffnete die Pergamentrolle. Dann blinzelte er nochmals und nahm die komplizierte technische Zeichnung, die sich über den gesamten ersten Bogen erstreckte, genauer in Augenschein. Er war völlig verdutzt; auf dem Blatt war die grobe, aber deutlich erkennbare Skizze einer langen Wagenkolonne zu erkennen, wobei jemand die Zugnashörner mit einem dicken Wachsstift durchgekreuzt hatte. Auf dem nächsten Blatt waren etliche Bauteile abgebildet, einige komplizierte Berechnungen und Zahlenreihen, Testwerte von Druckluftmessern sowie die Skizze eines riesigen Geräts, das mit einer völlig nashornlosen Kolonne aneinandergekoppelter Wagen verbunden war. Auf der dritten Seite gab es eine detaillierte Darstellung des Geräts, auf der sämtliche Einzelteile in Kästen, die mit Pfeilen verbunden waren, genau beschrieben wurden.
Ohne sich dessen genau bewußt zu sein, stierte Pahcheeno völlig verwirrt auf die allerersten Pläne für eine infernalische Verbrennungsmaschine mit Katastrophenkonverter. Er rollte rasch die Pläne zusammen, grinste verstohlen und machte sich schleunigst auf den Weg zu einem Mechaniker, der ihm noch einen Gefallen schuldete.
Versteckt hinter einem Hauseingang grinste das Botenmädchen unheilvoll, dann setzte es den Pagenhut ab, zog die ›geborgte‹ Uniformjacke aus und hüpfte die Straße hinunter: wieder einmal strotzte die mit einem roten Nachthemd bekleidete Neunjährige vor Boshaftigkeit.
Im Dämmerlicht des Lagerraums der Gesellschaft für Transzendentalreisen mbH lehnte
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