Firkin 05 - Fahrenheit 666
Weibchen und zwei Junge und ein weiterer Wurf war bereits unterwegs – aber dennoch … etwas war nicht in Ordnung.
Gereizt klopfte der Biber mit den mächtigen Pfoten auf den Schlammboden und behandelte sogar sein größtes Junges wie Luft, das liebevoll an seinem linken Ohr nagte. Außerhalb des Gebiets, auf dem der Unterschlupf dieser Geschöpfe lag, zog sich unbemerkt eine riesige rot-schwarze Wolke zusammen und breitete sich immer weiter aus. Das Wetter kippte um; selbst die Passatwinde, die ihre angestammten Rechte in diesem Landstrich von Generation zu Generation weitergegeben hatten, um auch zukünftig für ein zuverlässiges Klima zu sorgen, wurden bereits von den dreisten, aufdringlichen neuen Wolken aus dieser Gegend verscheucht und irrten heimatlos umher.
Im Unterschlupf schüttelte der Biber gerade das Junge Ohr ab, gab durch die beiden grabsteinförmigen Vorderzähne einen auffällig unzufrieden klingenden Laut von sich und stürmte aufgeregt ins Freie. Mit einer geschickten Bewegung des Schwanzes verschwand er durch das Wasserloch im Boden, drängte sich durch den schmalen Verbindungsgang hindurch und tauchte kurz darauf in einem großen, von Bäumen und Gestrüpp umgebenen Weiher wieder auf. Nach drei weiteren Paddelschlägen mit dem Schwanz hatte er den von ihm angelegten Damm erreicht.
Unterdessen breitete sich der gewaltige Schatten der Wolke und die damit einhergehende Hitze immer weiter über das riesige Talpa Gebirge aus.
Der Biber gluckste gereizt und zog sich an dem Wall aus Zweigen und Schlamm hoch, den er mit eigener Pfoten Arbeit gebaut hatte, und spähte umher. Und dann wußte er endlich, warum er so unzufrieden war. Als er vor einiger Zeit seinen Damm fertiggestellt hatte, war er sehr stolz darauf gewesen, denn es handelte sich nicht nur um den größten in der ganzen Siedlung, sondern auch um den schönsten, den er liebevoll mit schimmernder Fichte und frisch glänzendem Schlamm abgedichtet hatte. Da er aber die letzten Monate fast ausschließlich damit beschäftigt gewesen war, die Jungen aufzuziehen und sein Weibchen zu umhegen (und dafür zu sorgen, daß sie einen weiteren Wurf Sprößlinge bekam – was durchaus Spaß gemacht hatte), hatte er keine Zeit gehabt, sich auch noch um seine Nachbarn zu kümmern.
Und nun brauchte man sich nur einmal deren Dämme anzusehen.
Er unterzog sie noch einmal mit den wasserblauen Augen einer kritischen Prüfung und sah sie plötzlich in einem ganz anderen und für ihn überhaupt nicht mehr so rosigen Licht. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand der Biber den bitteren Beigeschmack akuter Eifersucht. Er war von seinen sogenannten Freunden übertrumpft worden. Gut, dann würde er sich eben darum kümmern müssen!
Und dann schwor er sich, schon morgen um dieselbe Zeit den größten und schönsten Damm in der ganzen Biberkolonie zu besitzen. Alle Nachbarn sollten wieder zu ihm aufsehen und ihn um seinen Damm beneiden … um sich letztlich doch nur geknickt davonzuschleichen! Mit seinem wasserdichten Fell plätscherte er betriebsam durch den See, und während er auf die Bäume zusteuerte, wuchs in ihm die Begierde, deren Stämme durchzunagen.
Überall in der Siedlung hegten andere stolze Biberbauherren denselben unerklärlichen Wunsch, unbedingt einen Damm besitzen zu müssen, der bei den Nachbarn unbändigen Neid hervorrufen würde.
Und tief unter der Erdoberfläche kicherte ein Dämon namens Flagit.
Seelenwachtmeister Knalli J’hadd kam in den Katakomben der kaiserlichen Palastfestung von Cranachan rutschend zum Stehen, klopfte an die unscheinbare Tür der Kapelle von Sankt Nimmerlein, verschränkte die Arme und wartete geduldig. Er wollte das hier allein durchstehen und sich nicht von dem kindischen Humor der Schwarzen Garde beeindrucken lassen. Niemand sollte erfahren, welch mulmiges Gefühl er hatte, um die Rückgabe seines Gefangenen zu bitten.
Bestimmt hielten sich da drinnen schon alle den Mund zu, um nicht laut loszulachen. Wahrscheinlich bissen sie sich gerade krampfhaft auf die Unterlippe, und der Speichel geiferte ihnen längst vor überschäumender Belustigung aus den Mundwinkeln. Und gleich dürfte die Tür aufspringen und ihre unverschämt grinsenden Visagen freigeben, die einen an Dummheit nicht zu übertreffenden kindischen Siegesstolz ausstrahlen würden.
Doch überraschenderweise passierte nichts dergleichen.
Statt dessen wurde er von der kalten, dunklen Stille einer völlig einsam und verlassen wirkenden Kapelle
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