Firkin 05 - Fahrenheit 666
wirklich wichtigen Problemen abenteuerlicher Aktionismus nur schädlich und vor allem viel zu gefährlich war. Es war ja schön und gut, die Tore aufbrechen zu wollen, um dann in den Zentaur-Vergnügungspark hineinzustürmen und den Chef zusammenzuschlagen, wer auch immer das sein mochte. Doch wie sie aus eigener Erfahrung nur allzu gut wußte, beschäftigten solch große Firmen auch mit allen Wassern gewaschene Rechtsanwälte, die einem schlaflose Nächte bereiten konnten. Etwas anderes wäre es natürlich, wenn es ihr gelingen würde, nun ihrerseits einen Anwalt für dieses so dringende Problem zu erwärmen. Aufgrund ihrer durchdachten und voller Inbrunst gehaltenen Rede vor der stetig anwachsenden Menschenmenge stiegen zumindest ihre Chancen, einen mitfühlenden Ritter in glänzender Anwaltskleidung anzulocken, den sie dazu erweichen könnte, sich mit einem Haufen Vorladungen und Verfügungen in die juristische Schlacht zu stürzen. Nachdem sie bereits unzählige Vögelchen vor dem frühzeitigen Hitzetod bewahrt hatte, konnte die kampfbereite Frau Grün allerdings ohnehin nichts mehr aufhalten.
»… und so haben diese skrupellosen Geschäftemacher bereits den einst völlig intakten Lebensraum des Rotschleimpilzes zerstört, doch nicht genug damit, denn jetzt fügten sie auch noch diese Dreckschleuder hinzu, deren Anblick eine Beleidigung für jedes Auge ist. Eine Umweltzerstörung solchen Ausmaßes führt automatisch zu … zu asthmatischen Erkrankungen!« Mit überschäumender Leidenschaft schwang sie das Transparent und blickte herausfordernd auf die schweißüberströmten Zuhörer, von denen die meisten dazugestoßen waren, weil sie sehen wollten, was das ganze Theater zu bedeuten hatte, und die nun bedauerten, daß sie nichts zu trinken mitgenommen hatten.
Auch wenn Frau Grün mit zornig hin und her wippender Kampfpudelmütze unaufhörlich wetterte und immer mehr Leute auf sie aufmerksam wurden, so hätte sie sich doch niemals träumen lassen, zu wem alles ihre Botschaft vordrang.
Pfarrer Götz von Öl der Dritte, der dreihundert Meter unter der Erdoberfläche zusammengekauert in einer nur halb fertiggestellten Klimaanlage hockte, setzte sich ganz plötzlich auf und entging nur knapp einer bösen Gehirnerschütterung.
»Ja!« murmelte er und rieb sich erfreut das Kinn, während er Frau Grüns Vortrag zuhörte und geflissentlich versuchte, Flagits Drohungen zu ignorieren.
»Ja!« grunzte er, als er bemerkte, wie die Frau die Menge bearbeitete.
»Ja, das ist genau die Person, die ich brauche!« Und mit dieser frisch gewonnenen Überzeugung langte er wie ein Tintenfisch, der es auf eine hilflose Makrele abgesehen hatte, mit seinen geistigen Ranken durch die undurchdringliche Dunkelheit der Unterwelt hindurch nach seinem Beuteopfer. Drei kurze Zuckungen des imaginären Kopffüßers, ein Peitschenhieb mit den beiden längsten Fangarmen, und er hatte die Beute im Griff.
»… ich kann nicht tatenlos zusehen, was hier geschieht und … oh, ich fühle mich plötzlich völlig … hört mir zu!« brüllte Frau Grün, wobei die Zischlaute in ihrer Stimme zunächst im Nichts verhallten und dann wie aus der Versenkung wieder auftauchten. Die Zuhörer wirkten plötzlich geschockt und blickten Frau Grün mit unverhohlener Ehrfurcht an. Selbst einigen ihrer treuesten Anhänger klappte vor Staunen die Kinnlade herunter. Bei all den Kampagnen, in denen sie Seite an Seite mit ihr gekämpft hatten, und bei all den von ihr gehaltenen Ansprachen hatten sie ihre Anführerin noch nie so reden gehört.
Pfarrer Götz von Öl konnte durch Frau Grün in die tief beeindruckten Gesichter der vor Entzückung erstarrten Menge sehen. Reihenweise hingen sie mit erwartungsvollen Blicken an ihren Lippen und lauschten gespannt seinen Worten. Unwillkürlich mußte Götz von Öl lächeln; zum ersten Mal in seinem Leben hatte er eine richtige Gemeinde! Na gut, zwar hatte er nur die Gemeinde eines anderen entführt, doch wenn es um Inbesitznahmen ging, war alles erlaubt; jedenfalls hier unten, und selbst in den zehn Geboten fand sich darüber nichts Gegenteiliges.
Frau Grün holte tief Luft, und obwohl ihr Blick ein wenig entrückt und ihre Augen etwas gläsern wirkten, fuhr sie mit energisch aufstampfenden Füßen mit ihrer Ansprache fort. »Ich werde euch Dinge über den Zentaur-Vergnügungspark berichten, die ihr mir kaum glauben werdet!« hallte ihre Stimme wider und verbreitete mit umwerfender Wirkung Götz von Öls ferngesteuerte
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