Firkin 05 - Fahrenheit 666
seine Stimmung zusehends verbesserte. »Suggestiv. Genau das ist der springende Punkt!«
»Hä?«
»Jedes Wesen, und ich meine wirklich jedes Wesen, kann sich dieser Geschichte entziehen, wenn es das will«, ereiferte er sich und schwenkte aufgeregt das Käppchen. »Man kann nur jemanden dazu überreden, etwas zu tun, niemals aber dazu zwingen. Die Sterblichen können sich einfach ausschalten und einen anderen Weg einschlagen, wenn sie wollen. Natürlich, genau so ist es!« Flagit lief mit fuchtelnden Armen auf Götz zu, riß ihn zu sich hoch und gab ihm einen dicken Kuß auf die Stirn, dann drehte er sich auf dem Pferdefuß um, galoppierte pfeifend durch die Tür hinaus und murmelte vor sich hin: »Nabob kann einfach mit Mädchen nicht richtig umgehen, das ist alles.«
Es mochte an seinem religiösen Hintergrund oder auch einfach nur an seiner Abneigung gegen dämonisches Pfeifen gelegen haben, doch Götz war ziemlich besorgt darüber, daß sich ein drei Meter großer Teufel so außerordentlich über etwas freuen konnte, das er ihm gerade mitgeteilt hatte.
Tief unten in der Krypta der Abtei Synnia war es für General Sinnohd bestimmt das leckerste Frühstück seit Jahren gewesen. Sicher, das Essen hätte besser ausfallen können – einige Dutzend Kaninchen, gleichgültig, wie gut geschmort, gebacken oder gegrillt, kamen gegen einen mit Aprikosen, Honig und Rosmarin verfeinerten Lammbraten nicht an. Doch der völlige Mangel an etwas, das auch nur entfernt an ein Schaf erinnerte, machte den Anlaß letztendlich nur noch pikanter. Dieser Mangel hob nämlich noch einmal die zwingende Notwendigkeit der unmittelbar bevorstehenden Schlacht hervor und war äußerst hilfreich, um die Gedanken auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Für den Mönchsgefreiten Knalli J’hadd war ein Krieg allerdings das letzte, was er sich wünschte. Die kurzen Haarstoppeln stachen ihn in den Nacken, als er gramgebeugt vor sich hinfluchte. Zwölfeinhalb Jahre hatte er beim GURU verbracht und achtzehn Monate hartes Training beim AS absolviert, um hier zu landen und jetzt, kurz bevor er im Namen von Hauptkommissar Scheitel – Gott schütze ihn! – seinen ganz persönlichen Kampf um Wahrheit, Gerechtigkeit und den Sinn des Lebens aufnehmen wollte, wurden die Fahnen gehißt und der Krieg erklärt.
Der General stand auf dem Stuhl am Kopfende des Tisches und begutachtete von seinem Ehrenplatz aus die Männer, die allesamt ihre glänzenden AS-Divisionsabzeichen trugen (auf dem ein von gefalteten Händen durchkreuztes Feigenblatt und das Ordensmotto ›Wer gürtet, der siegt‹ abgebildet waren). Sinnohds Blut kochte vor Vorfreude auf eine Schlacht, in die er diese jungen Rekruten führen wollte, und er entzündete bei den Anwesenden ein Feuer antiheidnischer Leidenschaft. »… und so lastet auf euren jungen und starken Schultern die Verantwortung, dieses schreiende, ja teuflische Unrecht zu rächen«, verkündete General Sinnohd mit Inbrunst, wobei er sich nur leicht über die lästerliche Wortwahl erschreckte, für die er sich gerade entschieden hatte. Doch war das nur ein weiteres Indiz dafür, wie ungeheuer verärgert er war. Kein Geistlicher sollte den Tag ohne ein saftiges Stück Lammbraten beginnen – das jedenfalls war Sinnohds felsenfeste Überzeugung.
»Erhebt eure Kelche, Männer!« rief er. Dann sprang er auf den Tisch, entkorkte eine Bauchflasche mit starkem Met und schenkte die Gläser der Männer randvoll. Schließlich nahm er selbst einen gewaltigen Schluck aus der Flasche und grinste. Zumindest gab es Met zum Frühstück – also war nicht alles zum Verzweifeln. Jeder in der Truppe genoß und liebkoste sein Getränk mit tiefster Frömmigkeit.
Dann sprang General Sinnohd mit einer schnellen Drehung, die seiner massigen Gestalt trotzte, von der Tischkante, landete auf dem harten Steinboden und schrie: »Präsentiert die Psalmen!«
Sämtliche Anwesenden nahmen sofort Habachtstellung ein und stampften energisch mit den Sandalen auf. Mit militärischer Präzision zogen sie die schwarzen Feldauflagen des Psalters aus den Soutanenhalftern, schlugen die betreffende Seite mit den Psalmen auf und hielten sich bereit. Ohne den Befehl gegeben zu haben, was Sinnohd enorm begeisterte, hallte das Hämmern der Sohlen mit genau hundertundachtzig Schlägen in der Minute auf dem Steinfußboden der Krypta wider. Die AS-Mönche trabten paarweise im Laufschritt nach draußen. Dann räusperte sich Mönchshauptmann Dicki Succingo und stimmte
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