Firkin 05 - Fahrenheit 666
Schritt zu halten. Das war alles ›Beweismaterial‹. Hauptkommissar Scheitel – Gott schütze ihn! – würde jedes Wort zu schätzen wissen.
In der Kapuze befand sich eine briefschlitzartige Öffnung, durch die hindurch zwei blutunterlaufene Augen finster auf Succingo starrten.
»… noch ist es nicht zu spät«, knurrte Succingo. »Laßt die Schafe frei und …«
Flammen huschten über das blaue Zündpergament, und die D’vanouinen brachen erneut in Jubel aus.
Plötzlich wurde J’hadd bewußt, daß er mit den Notizen aufgehört hatte, und er rannte rasch zu Succingo hinüber.
Für den Mönchshauptmann wurde die Zeit allmählich knapp.
»Was kam noch mal nach ›du Abschaum aller Oasen‹?« schrie J’hadd über den Lärm hinweg.
Succingo antwortete nicht, er mußte handeln, und das sofort.
Und dann unternahm er einen Scheinangriff von der linken Seite, wich nach rechts aus und wäre von einer Kriegerin im roten Nachthemd auf einem Schlachtdromedar zu Boden gerissen und niedergetrampelt worden, wenn Dromedar und Reiterin nicht einen unverhofften Zusammenprall mit Knalli J’hadds Hinterkopf gehabt hätten.
Die ganze Wüste schlug ihm ins Gesicht, sprengte ihm den Sauerstoff aus der Lunge und zwang ihn zur Aufgabe. Die Erde unter ihm öffnete sich, Klauen griffen nach seiner Soutane, und bevor er überhaupt einen Ton von sich geben oder sich gar tretend und zappelnd wehren konnte, war er bereits wie vom Erdboden verschwunden.
TÄÄST, TÄÄST! EINS, ZWEI …
An einem talpinischen Morgen tauchte im Morgenrot eine bucklige Gestalt auf. Sie zitterte vor Kälte am ganzen Körper und zog ungeduldig an einer Leine, die um den Hals eines beladenen Lamas gebunden war. Das Lasttier schnaubte kräftig, trabte über einen flechtenbewachsenen Felsblock und löste eine kleine Steinlawine aus. Dampfschwaden stiegen von der Gestalt auf, die sich mehrere Decken über die Schultern geworfen hatte. Mit finsterer Miene blickte sie noch einmal zurück und spuckte gereizt durch die klappernden Zähne. Der Speichel flog durch die Dämmerung und landete mit brodelndem Zischen auf einem großen Stein.
»Arschkalt«, murmelte der Fremde, der infernalische Gedanken hegte. »Wie kann man bei solchen Temperaturen überhaupt leben?«
Mit einem verschlafenen Gähnen erhob sich eine sanfte Brise und wiegte die Heidekrautbüschel unter den Hufen des Lamas. Auf der schuppenartigen Epidermis des Fremden breitete sich eine Gänsehaut aus, die eher einem akuten Aknebefall glich. Angewidert spuckte er ein zweites Mal auf den mittlerweile brodelnden Stein, zog die sechzehn Decken noch fester um die Schultern und verfluchte sich dafür, weder Stiefel noch Handschuhe angezogen zu haben. Es würde Tage dauern, um in den fast erfrorenen Hufen das Gefühl wiederzuerlangen … Dasselbe galt natürlich für die Klauen. Wochen würden vergehen, bevor er wieder Geige spielen könnte. Je früher er in der Wärme zurückkam, desto besser.
Entkräftet bestieg er einen kleinen Hügel und blickte in das Tal hinab. Allmählich fühlte er sich von allen bösen Geistern verlassen, die nur noch mit wedelnden Schwänzen an seinem Nervenkostüm zu zerren schienen, um ihm das Leben so unbehaglich wie möglich zu gestalten. Dort unten lag das Ziel direkt vor ihm. Mit mürrischer Miene musterte er das Gebäude und schürzte spöttisch die Lippen, als er mit seinen Schlitzaugen die prunkvoll verzierten Wasserspeier erspähte, deren Dämonenfratzen hämisch das Tal überblickten. »Mitleiderregend«, knurrte er. »Wenn die Menschen wüßten, wie Dämonen wirklich aussehen, würden sie sich bestimmt nicht trauen, sie auf die Dächer zu setzen.«
Als er für einen Moment seine zitternden Hände unter Kontrolle bekam, schlurfte er zum Lama hinüber und überprüfte den sicheren Sitz der Ladung. Dann befestigte er an einem der beiden Lamaohren eine kleine Pergamentnotiz und gab dem Tier einen kräftigen Klaps. Das Lama rutschte zunächst ein Stück über die Steine und legte dann auf festem Boden ein Stück des Weges im Trab zurück, bis es sich eines Besseren besann und den Rest des Weges im gemächlichen Tempo weiterzockelte.
Damit hatte er bereits alles erledigt, und der in Decken gehüllte Fremde pustete sich heißen Atem in die eiskalten Klauen. Dann drängte er sich zwischen zwei riesige Gesteinsbrocken und verschwand mit einem gewaltigen Niesen in einer Felsspalte. Seine Glieder sehnten sich verzweifelt nach einem schönen heißen
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