Firkin 05 - Fahrenheit 666
Schlammbad.
Es gab gewisse Zeiten, die der Novize Xedoc haßte. Es gab andere, die er zutiefst verabscheute. Und es gab welche, die er mit einer solch heftigen, ja geradezu erschütternden Vehemenz verachtete, daß sie auf der nach oben hin offenen Richter-Skala hätten gemessen werden können. Dies war eine der letzteren.
Zum sechstausenddreihundertundfünften Male an diesem Morgen bimmelte er mit den kleinen Fingerglöckchen und brannte mit griesgrämiger Miene Laserstrahlen der Verachtung in den mit einer Mitra gekrönten Hinterkopf, der sich direkt vor ihm befand.
Es war vier Uhr morgens. Xedoc war lediglich mit einem sackähnlichen Gewand bekleidet und umklammerte einen zehn Kilo schweren Weihrauchschwenker, und immer wenn der Papst aufstöhnte, mußte er die Glöckchen läuten. Das war mal wieder eine von diesen ätzenden Zeremonien.
Um vier Uhr morgens sollte jeder normale Zwölfjährige im Bett stecken und davon träumen, ganze Schwadronen jubelnder Kreuzritter heldenhaft in die Schlacht zu führen, um die Ketzer ein für alle Mal zu vernichten … oder wie er von Bäumen herabstürzt, um einer Räuberbande den Garaus zu machen, die entführte Prinzessin befreit und die gerechte Belohnung dafür erhält. Wäre es nach Xedocs schwelenden Gedanken gegangen, dann sollte er jetzt mit Sicherheit nicht in einer zugigen Eingangshalle knien, Glöckchen läuten und einen alten Papst dabei beobachten, wie dieser gebannt auf Regale mit knapp bemessenen Nachthemden starrte. Sicher, immerhin ging es um die dreijährlich stattfindende Wiedereinweihung der heiligen Damenunterwäsche von Sankt Mykle, und jemand mußte fortwährend die Glöckchen läuten und duftenden Weihrauch streuen, es war nur … Nun ja, warum mußte ausgerechnet er andauernd für solche Zeremonien herhalten? Wann ginge es endlich mit den interessanteren Ausbildungsabschnitten los, in denen Themen wie ›Kreuzzugstrategien‹, ›Katakombentaktiken und die Stationierung klerikaler Waffen‹ oder ›Exorzismus in Theorie und Praxis‹ behandelt wurden? Seine Heiligkeit Papst Uri der Dreiunddreißigste seufzte wieder einmal sehnsüchtig vor sich hin, als er die raffinierten Verschlüsse an einer besonders geschmackvollen schwarzen Schößchenjacke vom Frivol-Tempel begutachtete. Xedoc klingelte pflichtbewußt mit den Glöckchen, wobei sich seine Stirn in immer tiefere Falten legte. Draußen wurde es bereits hell.
Plötzlich waren das Quietschen von auf Steinfußboden langsamer werdenden Sandalen und der Schlag einer Handfläche auf Marmor zu hören. Dann schwang sich ein Mönch um eine Säule herum und keuchte: »Er ist zurück!«
Vor faszinierter Ehrfurcht gingen Xedoc fast die Augen über. Zwar hatte er nicht die leiseste Ahnung, wer genau es war, der da zurückgekehrt sein sollte, und warum dessen Reisegewohnheiten für den Papst von Interesse sein könnten, doch hörte es sich außerordentlich vielversprechend und unendlich interessanter an, als es die letzten dreieinhalb Stunden gewesen waren. Und außerdem störte niemand den Papst bei einer heiligen Zeremonie, es sei denn, es war wirklich unerläßlich.
Papst Uri konnte sich nur schwer von dem Anblick eines besonders vorteilhaft wirkenden rosafarbenen Seidennachthemds trennen und warf Bruder Pasterr, dem Mönchsmediziner, einen verächtlichen Blick zu. Xedoc wollte lieber kein Risiko eingehen und läutete für alle Fälle die Glöckchen.
»Ein Überlebender, Eure Heiligkeit!« jauchzte der Mönch begeistert, und als er den Gesichtsausdruck des Papstes sah, fügte er zu seiner Verteidigung hinzu: »Ihr habt darum gebeten, umgehend informiert zu werden, falls etwas …«
Seine Heiligkeit grunzte abfällig, raffte nur widerwillig die ausladende Robe um sich herum zusammen und erhob sich mit einem geradezu beängstigenden Quietschen der Gelenke. Noch ein letzter wehmütiger Blick auf ein Regal mit anmutiger Rüschenunterwäsche, dann putzte er sich geräuschvoll die Nase und trottete, auf den Bischofsstab gestützt, nach draußen. Der Mönch folgte ihm, ebenso Xedoc, der seine rasende Neugier kaum unterdrücken konnte.
Die purpurrote Seide hing schlaff an Papst Uris knochendürrem Körper herab, während er arthritisch durch endlos lange Gänge schlurfte und jeder seiner Schritte vom Klopfen der Stockzwinge auf dem kaltem Steinfußboden kontrapunktiert wurde. Dann blieb er stehen, öffnete eine Tür und schwankte, gefolgt vom Mönchsmediziner, durch einen schmalen Gang. Xedocs Laune, der
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