Firkin 1: Der Appendix des Zauberers
von jener Qualität, hmm, eingeschlossen ist, die das Wesen des Lemmings so einzigartig …«
»Und was soll das sein?« wollte der König wissen.
»Ja also, Sire … Es gibt eigentlich kein richtiges Wort dafür …«
»Dann denkt Euch eins aus! Los, macht schon!« forderte ihn der König auf.
»Lemmineszenz.«
»Soll das heißen, sie fangen an zu leuchten, wenn das Licht ausgeht?« kicherte Thatarr.
»Nein. Ich meine – genauer gesagt, sie meinen, also die Leute meinen, daß in den Fellen so etwas wie, nun… na ja eben Bestandteile des Geists eines Lemmings eingeschlossen sind, und immer bei Vollmond …«
»Kommen die raus und tanzen Ringelreihen«, äffte ihn Thatarr bissig nach. »Also hör mal, das kannst du meiner Großmutter erzählen! Ob die dir das abnimmt, weiß ich nicht. Aber vielleicht hast du ja Glück.«
Fisk war wie vor den Kopf gestoßen und zupfte nervös an seiner Augenklappe. »Wollt Ihr damit etwa sagen, daß das – ein Haufen gegenstandloser, aus der Luft gegriffener Gerüchte – der Grund dafür ist, warum die Leute keine Artikel aus Lemmingfell mehr kaufen?«
»Es scheint so«, sagte Gympl.
»Daß deswegen das Vertrauen der Konsumenten in die Ware Lemmingfell ruiniert ist?«
Frandl und Gympl nickten. Thatarr riß der Geduldsfaden. Er sah nicht mehr ein, warum sie sich noch länger mit dieser – wie er es sah – ›Lappalie‹ befassen sollten.
»Na, wenn schon?« brüllte er los. »Diese jämmerliche Unternehmung war von Anfang an nichts anderes als Zeitverschwendung. Gebt es doch zu! Ab mit Schaden und Schwamm drüber!«
»Bedauerlicherweise ist uns das nicht möglich«, erklärte Frandl. »Dafür sind wir schon zu weit gegangen. Wie denkt Ihr, sollen wir das anstellen? Die Kriegsgefangenen freilassen? Uns entschuldigen – ›Tut uns leid, falls wir Ihnen Unannehmlichkeiten verursacht haben sollten‹? Wäre das nach Eurem Geschmack, Thatarr?«
Der Oberste Chef des Ministerium für Sicherheit und Kriegsführung mußte sich eingestehen, daß etwas dran war an dem, was der alte Zausel da sagte.
»Auch auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole«, schaltete sich König Erdrosselbart wieder ein, »was sollen wir jetzt unternehmen?«
Gympl zuckte kläglich die Achseln und sah Frandl an. Thatarr trommelte mit den Fingern auf den Tisch und stierte Fisk militärisch-scharf an. Frandl starrte Löcher in die Luft.
»Irgendwelche Vorschläge? Fisk?«
»Äh – wer? Ich, Sire?« Warum ich, dachte Fisk, warum ausgerechnet ich?
»Ja Ihr! Immerhin seid Ihr es gewesen, der uns auf diesen hirnrissigen Gedanken gebracht hat!« Wütend blitzte ihn der König an.
Wie eine Sturzflut raste eine Woge der Panik über die Festlandränder jenes Kontinents, der ›Gehirn‹ heißt und in Fisks Kopf lag. Land unter! Fisk war im Nu vollständig isoliert, war wie ein Schiffbrüchiger auf einer kleinen einsamen Insel. Gesichter, die ihm eben noch vertraut waren, wurden ihm fremd. Alle starrten ihn an – er kam sich vor wie ein Tier in einem Käfig. Wie ein winzig kleines Tier in einem verschlossenen Käfig. Und draußen stand ein riesiger Löwe, dem irgend jemand die Schlüssel gegeben hatte …
»Nun … Ich … äh …«, stotterte er.
»Sehr hilfreich«, knurrte der König.
Fisk sah sich verzweifelt um, suchte irgendeine Anregung, irgend etwas, das ihn inspirieren könnte. »Vielleicht könnten wir … ihre Vorratsspeicher plündern! Ich will damit sagen – zu Hause, in Isolon, haben sie sich ja auch selbst ernährt. Also muß bei ihnen Zeug rumliegen, von dem sie sich ernährt haben.« Mit einem matten Grinsen versuchte er gegen die Mauer aus Schweigen anzurennen. »Nein … haha … eine dumme Idee … würde wohl eine Truppenstärke erfordern, die wir gar nicht … wie dumm von mir!«
»Verlangen wir zuviel von Euch? Ist die Belastung zu hoch für Eure grauen Zellen?« spöttelte Gympl.
»Moment mal … Genau! Das ist es!« schrie Fisk.
»Was? Was heißt ›es‹? Etwas genauer, wenn ich bitten darf«, stöhnte der König, der den Kopf in die Hände gestützt hatte.
»Zu hohe Belastung! Wie heißt das? Wie sagt man dazu? Na?« Er schnippte mit den Fingern. »Richtig: Stoier!«
Frandl war plötzlich hellwach.
»Steuer!« wiederholte Fisk zur Verdeutlichung. »Sie zahlen ihrem König Steuern, den sogenannten Zehnten. Und diese Zehntenlieferungen werden in den Zehntscheuern gespeichert. Alle!«
»Woher wißt Ihr das eigentlich?« fragte Frandl.
Fisk kannte da Mittel und Wege
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