Firkin 3: Das Wurmloch ins Biblioversum
ein Lappen Fensterleder in einen Teller mit Griesbrei gefallen. Als sie sah, daß das sauber gerollte Pergament am Pfützenrand wippte und kippelte und um ein Haar in die Lache gerutscht wäre, schrie sie entsetzt auf, gellend und schrill, im höchsten Falsett. Mit wildem Geflatter zappelte sie mühsam auf die Postille zu, hopste, schnappte nach ihr und errettete schließlich die aktuelle Ausgabe des Cranachischen Merkur im letzten Moment vor einem entsetzlich klebrigen Ende.
Weit von dort, tief unten im Fels der Krapathischen Berge, schlugen vier knochendürre Finger einen nervösen Trommelwirbel auf einem spiegelblank polierten Bronzethron. Das knöcherne Hämmern hallte klappernd durch die Höhle, prallte von achtlos übereinandergestapelten gestohlenen Kunstwerken ab und wurde von wertvollen Familienerbstücken zurückgeworfen, die man anderswo aufs schmerzlichste vermißte. Es war ein erlesenes Sortiment ausgewählter Schätze, das Der Appropriator in dieser Höhle angehäuft hatte. Jetzt wartete er, zappelnd vor Ungeduld, auf die aktuelle Tageszeitung.
Die Fledermaus putzte sich die Flügel sauber, verfluchte die Pfütze, verdammte die Tunnelwand, nahm den Cranachischen Merkur ins Nagemaul und stürzte wieder los. Elegant schwang sie sich in die Lüfte, würdevoll wie ein flugfähiges Spültuch.
Der Appropriator blickte finster auf ein erst kürzlich gestohlenes Gemälde, auf dem ein paar Sonnenblumen zu sehen waren, und wunderte sich, warum sein Wert plötzlich so sprunghaft gestiegen war. Erstaunlich, was die Abnahme eines Künstlerohrs auf dem Kunstmarkt bewirken konnte!
Die Fledermaus landete genau vor der Tür des Hauptraums. Sie keuchte erst noch eine Zeitlang und fing dann an, sich aufgeregt am Boden zu winden. Dabei produzierte sie ein Geräusch, als stülpte sich etwas von innen nach außen… Und dieser Eindruck war gar nicht so falsch. Sie schlug wie verrückt mit den Flügeln, zuckte und rutschte immer wieder aus, die Stummelbeine zappelten und patschten geräuschvoll, bekamen Knie und trieben ein speckig glänzendes Paar Hosen aus. Auch der Kopf veränderte sich: Das pelzige Schwarz verfärbte sich blaßblau, die beiden Eckzähne wurden lang und länger, mit garstigem Pfeifen strich der Atem des Geschöpfs zwischen ihnen hindurch. Ein paar Sekunden Patschen und Glucksen, dann gab es die Fledermaus nicht mehr.
Vlad Langschwein, der Vampir * , sammelte die Zeitungsrolle auf, schüttelte sich die letzten Tropfen der schleimigen Brühe aus den Haaren und stolzierte in die Thronkammer des Appropriators.
»Wo bleibst du denn so lange?« schrie der Appropriator und sprang von seinem bronzenen Podest auf. »Hast die verdammten Schlagzeilen wohl selbst gedruckt?« Gierig riß er den Cranachischen Merkur aus dem Klauengriff der vampirischen Fingernägel und verzog das Gesicht. »Bäh! Schon wieder versabbert! Wie oft hab ich dir eigentlich schon gesagt, du sollst sie nicht im Maul transportieren?«
»Gäht äbän schnäller pär Luftpost!« blaffte der Vampir.
»Ist aber widerlich! Einfach unhygienisch!«
»No, wos is Ihnen liebär? Agil oder stäril?«
Der Appropriator schoß ihm hinter der schwarzen ledernen Augenklappe einen wütenden Blick zu, sein Einauge starrte den Vampir aggressiv an. »Komm mir bloß nie mit deinem Geflatter zu nahe. Ich hasse alles, was fliegt und Krallen und Schnäbel hat und … insbesondere Tauben!« Er schauderte, wischte die Zeitung an Vlads Jackett ab und schlug sie auf.
Ein Leuchten lief über sein Gesicht, tausend Lumen hell, er feixte hingerissen, als er die Schlagzeilen las:
WASCHSALON LAHMGELEGT
VORWÄSCHE DAUERTE DIE GANZE NACHT
BUNTE FARBENPRACHT DES LEBENS SCHON VOR DEM HAUPTWASCHGANG VERBLICHEN
Wieder einmal hat der Appropriator, die Geißel Cranachans, zugeschlagen. Gestern nacht …
Er schrie vor Begeisterung, als er von seinen jüngsten nächtlichen Umtrieben las. Er grinste irr, als er sich an den Betreiber des Waschsalons erinnerte, der, geknebelt mit einem Paar Boxershorts, an der Wäscheleine baumelte und langsam immer tiefer sank, hinein in den Bottich mit der 40°-Buntwäsche … zum Einweichen … für den Vorwaschgang, der eine ganze lange Nacht dauern sollte …
»Er hätte wissen müssen, daß ich nicht mit mir spaßen lasse«, schrie er. »Wenn ich saubere Unterhosen will, dann bekomme ich auch saubere Unterhosen! Ich habe ihn gewarnt! Aber die Leute wollen einfach nicht hören!«
»Wenn Wortä nicht wirkän, dann hälfen nur
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