First Frost
Bethany anzurufen.
»Gwen!«, kreischte Bethany mir ins Ohr. »Geht es dir gut? Was war mit dir los?«
»Mir geht’s prima«, sagte ich. »Ich bin bei meiner Grandma. Die Ärzte glauben, ich hatte einen Krampfanfall oder etwas in der Art. Sie haben ein paar Tests gemacht, aber dann haben sie gesagt, dass alles in Ordnung ist. Morgen komme ich wieder in die Schule. Ich kriege nicht mal einen Tag frei.«
»Na, was auch immer es war, es war unheimlich «, meinte Bethany. »Besonders als du sogar weitergeschrien hast, nachdem du schon ohnmächtig warst. Du hast die ganze Zeit geschrien und um dich geschlagen, als wärst du besessen oder so. Alle in der Schule reden darüber.«
Ich verzog das Gesicht. »Tun sie das?«
»Oh ja. Alle haben SMS geschrieben und so.«
Ich seufzte. Damit war ich jetzt noch mehr ein Freak als zuvor schon. Gwen Frost, das Anfallmädchen. Da ging die Chance hin, eine Verabredung für den Abschlussball zu finden, der in ein paar Tagen anstand. Ich mochte Drew ja abserviert haben, aber ich wollte trotzdem auf den Ball
gehen, weil meine Mom das perfekte Kleid für mich gefunden hatte.
»Was ist mit Paige?«, fragte ich.
»Was soll mit ihr sein?« Ich konnte hören, wie sehr die Frage Bethany verwirrte. »Sie war genauso verängstigt wie der Rest von uns.«
Da war ich mir nicht so sicher, besonders wenn ich an den seltsamen Ausdruck auf Paiges Gesicht zurückdachte, kurz bevor ich ihre Bürste berührt hatte. Aber ich stellte Bethany keine weiteren Fragen über Paige. Sie hätte sowieso keine Antwort gewusst.
Ich unterhielt mich noch ein paar Minuten mit Bethany, dann kam meine Grandma ins Zimmer und erklärte, ich müsse mich ein wenig ausruhen. Ich sagte Bethany, dass ich sie morgen sehen würde, und legte auf. Den Rest des Tages verbrachte ich damit, im Bett rumzuhängen und die Comics zu lesen, die ich in der Schultasche gehabt hatte. Grandma Frost hatte auf dem Heimweg vom Krankenhaus bei der Schule angehalten und meine Tasche geholt. Sie hatte mir auch die Hausaufgaben für die Nachmittagsstunden mitgebracht, die ich verpasst hatte, aber die würde ich später erledigen. In Anbetracht meines Austickers am Vormittag war ich der Meinung, dass ich ein wenig Ruhe verdient hatte.
Grandma kochte ein wunderbares Abendessen. Würziges Huhn mit gebratenen Süßkartoffeln und einer Soße aus schwarzen Bohnen. Als Nachspeise gab es klebrig süße Apfelenchiladas mit Zimtzucker und Vanilleeis. Ich aß allerdings nicht viel. Ich war zu sehr damit beschäftigt, über Paige nachzudenken und über das, was vielleicht gerade in ihrem Leben geschah.
Später am Abend rief meine Mom an und brachte mich auf den neusten Stand.
»Es ist geschafft«, sagte sie müde. »Ich habe Paige gesagt, dass ich deine Mom bin, und habe sie dazu gebracht, mit mir zu reden. Sie hat mir genau das erzählt, was du mit deiner Psychometrie gesehen hast, und ich habe ihren Stiefvater verhaftet.«
Ich atmete erleichtert auf. »Also geht es Paige jetzt gut?«
»Zumindest besser«, gab meine Mom zurück. »Paiges Mom ist gerade auf Geschäftsreise, also sind Paige und ihre Schwester jetzt bei Verwandten untergebracht. Ich habe ihre Mom angerufen, und sie ist schon auf dem Heimweg. Sie war vollkommen entsetzt, als ich es ihr erzählt habe. Sie hatte keine Ahnung. Niemand wusste etwas außer Paige. Ihr Stiefvater hatte damit gedroht, dasselbe auch ihrer kleinen Schwester anzutun, wenn Paige irgendwem etwas sagt.«
Wir schwiegen eine Weile.
»Du hast heute etwas sehr Gutes getan, Gwen«, sagte meine Mom schließlich sanft. »Etwas wirklich Gutes. Ich bin stolz auf dich.«
»Weswegen? Weil ich ausgetickt bin und angefangen habe zu schreien?«
»Du weißt genau, was ich meine. Du hast deine psychometrische Magie eingesetzt, um jemandem zu helfen. Dafür haben wir unsere Gypsygaben, weißt du? Um anderen und uns selbst zu helfen, wenn es nötig ist.«
Nein, das wusste ich nicht, weil Mom und Grandma Frost nie über so etwas sprachen. Sie erwähnten nie, warum wir Gypsies waren oder woher unsere Magie kam. Bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen ich versucht hatte, ihnen mehr darüber zu entlocken, hatten sie dichtgemacht und nur vages Zeug von sich gegeben. Genauso war es, wann immer ich über meinen Dad, Tyr, reden wollte, der an Krebs gestorben war als ich zwei Jahre alt war.
Ich öffnete den Mund, um meine Mom wieder einmal zu fragen, wer wir waren und warum wir die Dinge konnten, die wir konnten. Aber sie kam mir
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