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First Frost

First Frost

Titel: First Frost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Estep
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gestorben. Sie war bei dem Unfall so schlimm verletzt worden, dass Grandma Frost sich weigerte, mich ihre Leiche sehen zu lassen, und auch bei der Beerdigung blieb der Sarg geschlossen.
    Ich konnte sowieso an nichts anderes denken als an die Tatsache, dass meine Mom tot und ich daran schuld war.
    Wenn ich nur Paiges Haarbürste nach dem Sport nicht berührt hätte, wenn ich nur nicht hätte wissen wollen, was sie verbarg, wenn ich nur nicht so dringend ihr Geheimnis hätte erfahren wollen.
    Wenn ich doch stattdessen Bethanys Haarbürste genommen hätte – dann wäre nichts von all dem passiert. Ich hätte nie gesehen, was Paiges Stiefvater ihr antat, und meine Mom wäre nicht so spät am Abend noch unterwegs gewesen. Sie wäre bei mir zu Hause gewesen und nicht im Weg dieses dämlichen, betrunkenen Autofahrers.
    Natürlich bedeutete das im Gegenzug auch, dass Paiges Stiefvater sie immer noch missbrauchen würde, ohne dass irgend­wer davon wusste. Niemand hätte Paige geholfen.
    Ich war mir nicht sicher, bei welcher Vorstellung mir schlechter wurde. Dass meine Mom hatte sterben müssen, nur weil ich so verdammt neugierig gewesen war, oder dass Paige wieder und wieder wehgetan wurde, nur weil ich meine Neugier beherrscht hatte. Die schrecklichen, schulderfüllten Gedanken kreisten wieder und wieder in meinem Kopf wie ein krankes Karussell, das ich nicht anhalten und von dem ich nicht absteigen konnte, so sehr ich es mir auch wünschte.
    Ich tat in der Zeit danach nicht viel. Ich ging nicht wieder in die Schule. Ich machte keine Hausaufgaben. Ich sprach nicht mit meinen Freundinnen. Ich aß kaum etwas, und ich schlief kaum. Ich blieb einfach in meinem Zimmer in Grandma Frosts Haus und weinte.
    Und weinte und weinte, und dann weinte ich noch mehr.
    Grandma tat alles in ihrer Macht stehende, damit ich mich besser fühlte. Sie kochte mir besonderes Essen und backte besondere Leckereien und hielt mich fest, wenn ich weinte. Sie erklärte mir wieder und wieder, dass es nicht meine Schuld sei, sondern nur eine Laune der Götter, eine grausame Schick­salswende, die selbst sie mit ihren hellseherischen Fähigkeiten nicht hatte kommen sehen. Götter oder nicht, Schicksal oder nicht, nichts von dem, was sie sagte, konnte an meiner Überzeugung rütteln.
    Der Tod meiner Mom war allein meine Schuld – und ich musste die Verantwortung dafür tragen.
    Allein. Für immer.
    Eines Morgens, ungefähr drei Wochen nach der Beerdigung meiner Mom, klopfte jemand an die Haustür.
    Es war noch früh und kalt für den Mai. So kalt, dass eine dünne Schicht Bodenfrost draußen alles mit einem silbrigen Schein überzog. Es klopfte wieder, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, blicklos aus dem Fenster zu starren, um mich ­darum zu kümmern. Außerdem war es wahrscheinlich nur einer der Kunden meiner Grandma, der sich die Zukunft voraus­sagen lassen wollte. Grandma Frost hatte diese Woche wieder angefangen, Leute zu empfangen. Sie hatte erklärt, dass sie sich beschäftigt halten musste, dass sie etwas zu tun brauchte, außer herumzusitzen und darüber nachzudenken, dass ihre Tochter tot war. Sie hatte versucht, mich ebenfalls dazu zu ermuntern etwas zu tun, irgendwas, um mich ein wenig abzulenken.
    Grandma litt ebenfalls, also tat ich mein Bestes. Für den Anfang half ich ihr dabei, alles aus unserem alten Haus ein­zupacken und in ihres zu bringen, da ich jetzt bei ihr lebte. Ich richtete mein Zimmer so ein, wie ich es haben wollte, sah fern und tat so, als würde ich Comics lesen, obwohl ich mich kaum daran erinnern konnte, was von einer farbenfrohen ­Seite zur nächsten geschah. Und wenn ich weinte, tat ich es spät abends in meinem Zimmer, wo Grandma mich nicht sehen oder hören konnte, obwohl ich wusste, dass sie in ihrem Zimmer am anderen Ende des Flurs dasselbe tat.
    Aber nichts, was ich unternahm, konnte den Schmerz in meiner Brust lindern – oder half mir, mit den Schuldgefühlen wegen des Todes meiner Mom umzugehen.
    »Gwen!«, rief Grandma Frost mehrere Minuten später. »Komm bitte nach unten!«
    Also war es doch keiner ihrer Kunden. Sonst wäre sie nun damit beschäftigt gewesen, die Zukunft vorauszusagen. Ich seufzte, wischte mir die neuesten getrockneten Tränen aus dem Gesicht und stapfte nach unten in die Küche.
    Zu meiner Überraschung saßen dort zwei Leute am Tisch – Grandma Frost und die Frau, mit der sie Tee trank.
    Die Frau hob die blaue, mit Schneeflocken verzierte Tasse an die Lippen, nippte daran und

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