Fischerkönig
Schlüssel nervös, und das Klimpern wurde immer lauter und hektischer. Schließlich gab Hintermann auf. »Geht nicht«, resümierte er und setzte sich wieder. »Ich muss ihn verloren haben.« Lisa sah die Küchenuhr eine Minute vorrücken. »Wir haben diesen Anhänger am Tatort gefunden«, erklärte Heiko und nahm dem Mann ohne Umschweife seinen Schlüsselbund ab. Er stöberte seinerseits eine Weile, bis er schließlich einen Schlüsselring mit passendem Kettenstück ohne Anhänger fand. Triumphierend hielt er seinen Fund hoch. »Wo waren Sie denn am Samstagabend, Herr Hintermann?« Die Augen des Mannes wanderten gehetzt hin und her. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen, und er schien angestrengt zu überlegen. Die Stille dauerte Minuten, gefühlte Stunden. Nur sein lauter, pfeifender Atem war zu hören. »Nun?«, beharrte Lisa und setzte ihr strenges Verhörgesicht auf, das Heiko so putzig fand.
Schließlich stand Hintermann auf und ließ die Arme an die Seite klatschen. »Eure Suche ist zu Ende. Ich war’s.« Heiko und Lisa wechselten einen erstaunten Blick. »Ich hol nur schnell meine Sachen und ruf im Gschäft an.«
»Das soll es schon gewesen sein?«, fragte Lisa, während sie im Kaffee Kett saßen und einen Kaffee und einen Latte Macchiato tranken. Heiko zuckte die Achseln. »Sei doch froh. Fall erledigt.« Er nippte am Kaffee und beobachtete dann das Geschehen auf dem Schweinemarktplatz. Trotz der frühen Stunde waren schon einige Leute auf den Beinen. Soeben fuhr John, der srilankesische Pizzabäcker, mit seinem silberfarbenen Van über den Platz und parkte vor seinem Restaurant.
»Ich weiß nicht. Ich glaube irgendwie nicht, dass er es war«, meinte Lisa und schlürfte Latte Macchiato.
»Hey! Jetzt mach mal halblang! Geständnis ist Geständnis! Und nur, weil er so schön revoluzzermäßig rüberkommt …«
»Was willst du denn damit sagen, Bärchen?« Lisa tat empört. »Der einzige Revoluzzer, für den ich mich interessiere, ist ein Hohenloher Kommissar mit einem unsäglichen Dialekt.« Heiko wusste nicht, ob er wegen des öffentlichen Aussprechens seines Kosenamens schmollen oder sich wegen des Kompliments geschmeichelt fühlen sollte. Also widmete er sich wieder seinem Kaffee.
»Wenn er gesteht, ist das doch eine saubere Sache. Der Anhänger passt, und ich wette, er hat kein Alibi.«
»Das ist es ja, was mich so stutzig macht«, gab Lisa zu bedenken. »Der hat ja nicht mal versucht, ein Alibi zu liefern. Immerhin hat er einen Sohn, der dann ohne Vater aufwachsen würde.«
»Na, so klein ist der ja auch nicht mehr.«
»Trotzdem. Ich glaube, da ist noch irgendwas im Busch.«
Heiko griff zum Hohenloher Tagblatt, das er neben sich auf den Stuhl gelegt hatte, und schlug den für alle Crailsheimer wichtigsten Teil auf: den Regionalteil. »Übrigens, am Sonntag ist Lichterfest«, wechselte er das Thema und zeigte Lisa den Artikel. Unter dem Foto eines Lichtobjektes, das mit etwas Fantasie Tom und Jerry darstellte, prangte die Schlagzeile: ›Am Sonntag ist Lichterfest in Goldbach – die Vorbereitungen laufen‹.
»Da müssen wir natürlich hin«, befand Heiko.
»Bin ja echt gespannt. Vielleicht können wir da auch noch was über Hintermann herausfinden«, beharrte Lisa. Heiko verdrehte die Augen. »Gut, wenn du darauf bestehst, dann nehmen wir uns den Kerl gleich nachher vor.«
Irina Siegler legte den Hörer auf. Der Beamte hatte sie informiert, dass sie Walter am Donnerstag beerdigen konnte. Ihr graute schon vor dem Rummel. Musste sie … das ganze Dorf! Die junge Russin stützte den Kopf in die Hände. Es musste eine Möglichkeit geben, das anders zu regeln. Irgendwie.
Eine weitere Stunde später befanden sich Heiko und Lisa mit dem Verdächtigen im Verhörzimmer des Crailsheimer Polizeipräsidiums. Während Lisa den Verdächtigen mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit behandelte, blieb Heiko reserviert – immerhin hatte der Mann einen Mord gestanden. Frau Brucker, die in solchen Situationen immer als Protokollantin zugegen war, saß bereits erwartungsvoll und gleichzeitig prüfend über ihre Brille linsend vor dem Laptop.
»Also, Herr Hintermann«, begann Lisa und reichte dem Mann einen Kaffee, den dieser mit dankendem Nicken entgegennahm, »es sind noch ein paar Fragen zu klären.« Frau Bruckers Laptoptasten klackten. Hintermann blieb still. Typisch Hohenloher. Hatte ja auch noch keiner was gefragt. »Alibi haben Sie keins?«, fragte Lisa noch einmal nach. Hintermann
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