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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Crailsheim thronte und einen fantastischen Blick auf die Umgebung bot. Lisa selbst war noch nie oben gewesen, aber für die durchschnittliche Crailsheimer Familie war der Ausblick wohl ein lohnendes Ausflugsziel. Außerdem wurde am Volksfest von der Villa aus das Feuerwerk abgeschossen. Sie parkten den Wagen endlich auf einem Parkplatz, der von der Landstraße nach Beuerlbach abging. Nach einem kurzen Marsch bergauf durch den in mannigfachen Grüntönen erstrahlenden Sommerwald kamen sie oben an. Das Erste, was Lisa sah, war eine Pyramide, die den Illuminati zur Ehre gereicht hätte. Ganz aus Stein, ragte sie über drei Meter hoch in den Himmel und wäre hier so gar nicht zu vermuten gewesen. Lisa trat interessiert näher und entdeckte Versteinerungen aller Art, die in die Oberfläche eingemauert waren. Daneben waren dazu passend Metallschildchen mit den Bezeichnungen des jeweiligen Erdzeitalters angebracht. »Crailsheim ist ja eine Gegend mit Muschelkalk«, erläuterte Heiko. Lisa nickte, das wusste sie schon seit ihrer ersten kurzen Wanderung ins Jagsttal – nach der Nacht, in der sie beide endgültig zusammengekommen waren. Ehrfürchtig streiften ihre Finger über die Ammoniten und die Donnerkeile. »Schön«, befand Lisa, »beeindruckend.«
    »Ja, gell?«, meinte Heiko. »Ich meine, wenn man sich überlegt, dass die Dinger Millionen von Jahren alt sind. Das kann man sich gar nicht so richtig vorstellen.« Beide schwiegen noch einen Moment und betrachteten sinnend das steinerne Bauwerk. »Aber jetzt müssen wir zur Villa«, bestimmte Heiko. »Da gibt es Graachte Broodwirschd.«
    »Was gibt es da?«, fragte Lisa entgeistert. Heiko genoss ihren verständnislosen Gesichtsausdruck. Sie war so süß, wenn sie etwas nicht verstand. »Graachte Broodwirschd«, wiederholte er, ganz langsam und im Schulmeistertonfall.
    »Halt!«, sagte Lisa und legte überlegend den Zeigefinger auf die Lippen. »Gerauchte … Bratwürste?«, übersetzte sie und blickte Heiko zweifelnd an. Der applaudierte theatralisch. »Ja, genau, gerauchte Bratwürste.«
    »Das hört sich ja … ganz hervorragend an«, befand Lisa. In diesem Moment ertönte ein seltsamer Schrei, der nicht wirklich menschlich zu sein schien. »Was war das denn?«, fragte Lisa erschrocken.
    »Das? Ein Pfau, vom Vogelpark«, informierte Heiko.
    »Es gibt hier einen Vogelpark?«, Lisa war entzückt.
    »Gleich da drüben. Aber zur Villa geht’s da lang, und da gibt es auch …«
    »Erst schauen wir den Vogelpark an«, entschied Lisa. Heiko seufzte tief. Nun würde er noch eine Weile auf seine Graachta Broodwirschd warten müssen.

    Der Vogelpark beherbergte über 250 Tierarten, und nicht nur Vögel. Aber natürlich hauptsächlich Vögel, daher hatte die Institution ja schließlich ihren Namen. »Schau mal, die Love-Birds, wie aus Vertigo!«
    »Hm?«
    »Na, der Hitchcockfilm!«
    »Ach so, ja, klar«, machte Heiko und dachte wehmütig an Graachte Broodwirschd. Lisa bestaunte jeden einzelnen Vogel, bedauerte wortreich einen Kakadu, der ganz alleine und traurig in einer Ecke saß, sinnierte, ob sein Weibchen wohl gestorben sei, ging weiter zu den Papageien, bewunderte die Finken und die Kanarienvögel. Ausgiebig betrachtet wurden auch die Pfauen, die jene durchdringenden Schreie ausstießen, die Heiko ein schnelles Abendessen gekostet hatten. Natürlich gab es auch noch Kaninchen und Meerschweinchen, die ein traumhaft großes Gehege bewohnten und sämtlich sehr zufrieden wirkten. Als sie endlich über die Ziegen, die Hühner und die Tauben bei den Pferden angelangt waren, atmete Heiko erleichtert auf, denn endlich, mit einer Stunde Verzögerung, rückte die Villa näher. Sie warfen einige Eurostücke in die Spendenkasse am Ausgang und wandten sich dann endlich der Villa zu. Der Biergarten vor der Miniburg war gut besucht, und ein Schild wies auf ›Selbstbedienung‹ hin. Die beiden jungen Leute stellten sich also in die Schlange am Eingang des kleinen Häuschens. Als sie so weit vorgerückt waren, dass sie im Inneren der Villa standen, staunte Lisa nicht schlecht: Neben diversen Auszeichnungen den Vogelschutzverein betreffend befanden sich einige ausgestopfte Tiere in der kleinen Gastwirtschaft. Ein Iltis, ein Kakadu und hinten im Eck stand ein … nun, Lisa hatte so ein Tier noch nie gesehen. Es hatte was von einem Eichhörnchen, war aber wesentlich größer, eher wie ein Terrier. »Oomol Graachte Broodwirschd«, tönte es aus der Küche, und der Wirt bugsierte einen

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