Fischerkönig
ich tun?« Heiko zückte die Liste, entfaltete sie und strich sie auf dem Wohnzimmertisch glatt. »Aufgrund diverser Überlegungen meinen wir, dass es drei Möglichkeiten gibt. Erstens, Ihr Mann ist tatsächlich der Täter. Und hätte sein Alibi gleich mit eingespannt. Zweitens, jemand hat sowohl mit Ihrem Mann als auch mit dem Herrn Siegler eine Rechnung offen. Drittens, Ihr Mann wurde willkürlich ausgewählt. So oder so muss der Mörder aus Anglerkreisen stammen.«
»Könnte!«, widersprach Lisa. »Wir haben noch eine andere Spur.«
Heiko stimmte zu. »Jedenfalls wollten wir Sie fragen, ob Sie von irgendwelchen Querelen Wind bekommen haben. Von Streit, Problemen unter den Männern.« Die Hintermann nahm die Liste und bearbeitete dabei sinnend ihre Unterlippe mit den Zähnen. Lisa registrierte, dass ihr Lippenstift keinen Abdruck hinterließ. Offenbar Qualitätsware. »Also, zunächst einmal hatten natürlich mein Mann und der Siegler selbst ein Problem miteinander. Das war so ein kindischer Konkurrenzkampf um diese alberne Kette.«
»Hm«, machte Heiko.
Die Augen der Frau studierten weiter das Blatt. »Mein Sohn hat Ihnen ja schon von seinem Problem mit dem Siegler erzählt. Der war aber auch ein Pedant, entschuldigen Sie, man soll ja nicht schlecht über Tote reden. Ich weiß eben, wie sehr sich unser Junge diesen Führerschein gewünscht hat.« Sie überlegte, dabei wurden die Falten auf ihrer Stirn noch etwas tiefer. »Ich glaube, dem jungen Koch ist es damals genauso gegangen. Manuel Koch heißt der.« Ihre Augen wanderten weiter die Liste entlang. »Dann gibt es da noch den Zundels Harald, der war auch immer so wild auf diese Fischerkette. Ist, glaub ich, öfters Vize geworden, was aber außer einem feuchten Händedruck und einem Gutschein über ein paar Euro nichts bringt.« Heiko unterstrich in Gedanken den Namen ganz dick, das würde perfekt ins Profil passen. »Dann«, fuhr Frau Hintermann fort, »dann haben ein paar von den Goldbachern sich aufgeregt, dass der Siegler laut überlegt hat, das Lichterfest abzuschaffen. Da gab es sogar eine Bürgerinitiative.«
»Ah ja? Wissen Sie, wer das war?«
Frau Hintermann wiegte unschlüssig den Kopf. Sie rief nach ihrem Sohn, der Sekunden später erschien, gerade so, als hätte er gelauscht. »Weißt du, wer von den Goldbachern damals so auf den Siegler los ist wegen dem Lichterfest?« Der Junge nickte eifrig. »Also, erst mal: Der Manuel war es sicher nicht. Den kenne ich und der würde niemals …«
»Wir kümmern uns schon darum«, unterbrach Heiko in ruhigem Tonfall. »Aber könntest du die Frage beantworten?« Heiko mochte den Jungen.
»Na, der Lothar Holderberg«, gab der Auskunft. »Der ist ein bisschen wunderlich. Wohnt allein, lebt von Hartz IV und hat als Lebensinhalt das Lichterfest.« Heiko warf Lisa einen vielsagenden Blick zu. Frau Hintermann suchte weiter, aber sie konnte keine heißen Kandidaten mehr entdecken, ebenso wenig Bernd, der die Liste als Nächster grübelnd studierte. »Nun ist die Frage, wer von den Leuten mal an den Autoschlüssel Ihres Mannes gekommen sein könnte.«
»Wissen Sie, in einer Stadt wie Crailsheim hat man andauernd miteinander zu tun. Mindestens beim Vereinstreffen waren die alle zusammen«, erklärte Frau Hintermann.
»Haben Sie eine Ahnung, wann genau der Anhänger am Schlüsselbund gefehlt hat?«, fragte Lisa. Frau Hintermann zuckte die Achseln. »Ich kucke doch nicht meinem Mann seinen Schlüsselbund durch, ob da noch alles dran ist.« Lisa gab der Frau innerlich recht. So was fiel einem einfach nicht auf, und schon gar nicht als Ehefrau. Sie sah zu Heiko hin, der unmerklich nickte. »Ich denke, dann haben wir’s«, meinte er, steckte die Liste wieder ein und die beiden verabschiedeten sich.
Heiko und Lisa beschlossen nach einem Blick auf die Uhr und vor allem wegen des schönen Wetters, dass die weiteren Ermittlungen Zeit bis morgen hatten. Nachdem sie ihre Tiere versorgt hatten, trafen sie sich wieder. Heiko hatte Lisa eine besondere Location versprochen, und nun saß Lisa gespannt im M3 neben ihm. Die Sonne strahlte vom spätnachmittäglichen Himmel, und an Lisas Pferdeschwanz zerrte der Fahrtwind. »Wo fahren wir jetzt hin?«, wollte Lisa wissen.
»Zur Villa«, erklärte Heiko und fügte hinzu: »Abendessen.« Natürlich kannte Lisa die Villa. Die Villa war ein gelbes Haus mit Türmchen, das sogar wie eine kleine Burg Zinnen auf dem Dach trug. Alle Crailsheimer kannten die Villa, weil sie hoch über
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