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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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Volksfest abschaffen wollte, was würden die Crailsheimer tun?«, hielt Lisa dagegen. Heiko grinste in sich hinein. Wahrscheinlich würden gleich mehrere Meuchelmörder durchs nächtliche Crailsheim schleichen, den Dolch im Gewande.
    »Das lässt sich ja leicht herausfinden, ob das als Motiv ausreicht«, stellte Heiko fest. »Morgen früh besuchen wir den Mann.«

Mittwoch, 13. August 2014
    Am nächsten Morgen fuhren sie gleich nach Goldbach, um Lothar Holderberg genauer unter die Lupe zu nehmen. In der Ortsmitte bogen sie links ab und parkten schließlich vor einem weißen Einfamilienhaus, dessen Garten von einem Jägerzaun umgeben war. Lisa und Heiko stiegen aus und gingen einen von Unkraut überwucherten Gartenweg entlang. Die Haustür war früher einmal weiß lackiert gewesen, aber der Lack war vielfach abgesplittert und das blanke Holz zum Vorschein gekommen. Dazwischen waren gelbe Glasscheiben eingelassen, bei denen nicht ganz ersichtlich war, ob sie schon immer gelb gewesen waren oder mit den Jahren diese Tönung angenommen hatten. Als sie die Klingel betätigten, schrillte eine altmodische Glocke. Nichts tat sich, also beschlossen die Kommissare, es einmal im Garten zu versuchen. Sie folgten einem Weg aus Steinplatten, der ebenfalls von allerlei Unkraut überwuchert war. Endlich hörten sie ein Radio, den Geräuschen nach handelte es sich um einen dieser furchtbaren Schlagersender. Je näher sie dem Radio kamen, desto deutlicher war zu hören, dass die Sängerin verlassen worden war und nun den Geliebten in weinerlichem Tonfall anflehte, zu ihr zurückzukehren. Lisa und Heiko waren inzwischen um das Haus herum und visierten das Gartenhäuschen an, aus dem die Musik dröhnte.
    »Herr Holderberg?«, rief Heiko, und drinnen rumpelte es. Dann erschien ein Mann in der Tür, in den Armen einen Pappkarton. Er trug Schnurrbart, und sein Haar war strähnig und lang. Das wiederum wirkte etwas grotesk, da der Mann eine schon deutliche Glatze hatte und die Haare somit etwas von einem Heiligenschein hatten. »Der bin ich«, gab er Auskunft. »Und wer seid ihr und was rennt ihr dohanna uf meim Grundstick umanander?« Lisa schluckte merklich, sie fürchtete innerlich, dass der nächste Satz »Ii zeich eich, wua dr Bartl da Mouschd hollt« sein würde und dass dann entsprechende Taten folgen würden. Denn wo der Bartl den Most holte, das war natürlich der Keller, und im Keller war es dunkel und kühl. Genau wie unter der Erde oder bei einer tiefen, tiefen Bewusstlosigkeit. Nach einem K.o.-Schlag sozusagen. Dann fing sie sich aber wieder und meinte in freundlichem Ton und mit einem Lächeln: »Wir bräuchten eine Auskunft von Ihnen, einen Mordfall betreffend.« Der Mann machte keinerlei Anstalten näherzukommen, ihnen die Hand zu geben oder sonst wie sein Entgegenkommen zu signalisieren. »Ach, echt?«, entfuhr es ihm stattdessen. Heiko räusperte sich. »Ja, also, sicherlich kannten Sie ja den Herrn Siegler«, begann er. Holderberg stellte endlich den Karton ab, und Heiko registrierte mehrere Stapel mit bunten, nach Farben sortierten Pergamentpapierbechern. »Ach, is des scho fürs Lichterfest?« Holderberg stutzte und tippte dann mit dem Fuß so vorsichtig gegen den Karton, als enthielte der Porzellan. »Feinschte Lichterfestbecherle aus China, in allana Farwa«, bescheinigte er, und zum ersten Mal rang er sich dazu durch, die Mundwinkel leicht nach oben zu verziehen. Im Hintergrund hopsten einige Amseln herum und beackerten eine Fläche, die mit Rindenmulch belegt war. Offenbar ein lohnendes Jagdrevier. »Man sagt, Sie täten gern beim Lichterfest mitmachen?«, versuchte Heiko. Das Pseudo-Lächeln wurde nun zu einem Grinsen, dem ein hoher Grad an Sarkasmus innewohnte.
    »Sou, secht mer des?«
    »Hm.«
    »Tatsach. Ha, no wird des sou sei. Noch ebbes?«
    »Vor einigen Jahren hat es da mal … Probleme gegeben? Mit dem Herrn Siegler in seiner Rolle als Ortsvorsteher?«, konkretisierte Lisa endlich.
    Die sonnengebräunten Züge des Mannes nahmen einen wütenden Ausdruck an. »Probleme is leicht untertrieben. Der Allmachtsseggl hat tatsächlich des Lichterfeschd abschaffa wella!«
    »Sie waren damals der Vorsitzende einer Bürgerinitiative, die dagegen vorgegangen ist?« Holderberg hatte inzwischen ein Päckchen Zigaretten, das mit Selbstgedrehten befüllt war, aus der Brusttasche seines grün karierten Holzfällerhemdes gefischt und rauchte mit bedächtigen Zügen, wobei er immer wieder seine gelblichen Zähne entblößte.

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