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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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in den Tod getrieben hätte. Die Luft war lau an diesem schönen Augustabend, zwei Tage vor dem Lichterfest. Da konnte sie sicher sein, dass ihre kleine Aktion größtmögliche Wirkung hatte, weil es nur ganz wenige Goldbacher gab, die ums Lichterfest herum nicht in heimatlichen Gefilden waren. Das Lichterfest war das Goldbacher Nationalheiligtum, so wie das Volksfest es für die Crailsheimer war. Natürlich interessierten sich auch alle Goldbacher für das Volksfest, aber die Lichterfestsache war eben auf Dorfebene. Immerhin hatte das Fest innerhalb weniger Stunden um die 10.000 Besucher und wurde damit zum Höhepunkt der Gegend an diesem Abend. Sie musste deshalb aufpassen, dass sie nicht gesehen wurde, und hatte die Dunkelheit abgewartet. Agnes Morgner kam sich auf eine aufregende Art verwegen vor mit ihrer schwarzen Hose, dem T-Shirt und dem Kopftuch. Spannend war die ganze Sache, sehr spannend. Sie bog um die Ecke und in die nächste Straße ein. Die Brieflein trug sie in einem dunklen Baumwollbeutel bei sich. Dann näherte sie sich dem ersten Haus. Dem Briefkasten, um genau zu sein. Ein paar würde sie auch an die Straßenlampen hängen, zu diesem Zweck hatte sie extra einen Tesafilmabroller mitgenommen. Das Haus lag still da, nur ein bläuliches Flackern aus einem der Zimmer verriet, dass die Bewohner wohl gerade fernschauten. Die Schwarzgekleidete huschte zum Briefkasten, einem klassisch gelben mit Posthornmotiv, und öffnete die Klappe. Sie quietschte vernehmlich, und Agnes Morgner erschrak. Das fehlte noch, dass jemand sie sah. Schnell stopfte sie den Zettel hinein und entfernte sich dann rasch. Im Weglaufen verspürte sie in der Bauchgegend ein heißes, durchaus nicht unangenehmes Prickeln. Das hatte Spaß gemacht. Es war aufregend. Ein Abenteuer. Und so pirschte sie sich einige Stunden durch die nächtlichen Straßen des kleinen Dorfes im Osten Crailsheims.

    Damit war Alexander aus dem Schneider und kam als Täter eindeutig nicht mehr infrage. Heiko musste sich innerlich eingestehen, dass er eigentlich ganz froh darüber war, denn er konnte den jungen Russen gut leiden. Wo sie allerdings nicht drumrum kamen, war, den jungen Mann in Abschiebehaft zu nehmen, was dieser natürlich bereits gewusst hatte. Trotzdem war es tragisch, seinen Traum von einem besseren Leben zerplatzen zu sehen wie eine Seifenblase. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass seine Schwester, die er ja sehr zu lieben schien, weiterhin in Deutschland bleiben würde. Und er konnte sie nun nicht mehr so einfach besuchen. Schwierig, die ganze Sache, sehr schwierig.

    Lothar Holderberg öffnete seinen Briefkasten. Mehrere Rechnungen kamen zum Vorschein, Rechnungen, aber noch keine Mahnungen. Dann einige Werbebriefe, auf denen schon außen stand, dass sein Kredit genehmigt worden sei, obwohl er nie einen beantragt hatte und es auch nie tun würde, denn so blöd war er nicht. Aber dann war da noch dieses Blatt, zweimal gefaltet, aber ohne Kuvert. Er entfaltete es nachlässig und betrachtete es. Zuoberst stand in Großbuchstaben MÖRDERIN!, und darunter prangte ein Foto der unglückseligen Irina Siegler, auf dem sie ein besonders kurzes Röckchen trug und lasziv in die Kamera blinzelte. Ein Arm war um sie gelegt, der restliche Mensch war aber abgeschnitten. Es musste sich wohl um Walter Sieglers Arm handeln. Gut sah sie aus, richtig gut. Solche Frauen schauten ihn mit dem Arsch nicht an. Und kaufen konnte er sie sich auch nicht. Ganz im Gegensatz zum Walter. Denn von Hartz IV konnte man den Damen nichts bieten, geschweige denn sich eine bildhübsche Russin kommen lassen, sie heiraten und ihr ein süßes Töchterlein raufhängen, so wie der Walter es gemacht hatte. Seine Alte war ihm schon vor Jahren abgehauen, und sie konnte ihm auch gestohlen bleiben. Er las den Text, der unter dem zugegebenermaßen etwas nuttigen Foto stand:
    ›Frauen, passt auf Eure Männer auf, denn Irina ist wieder solo. Schon ihr erster Mann ist auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Die Polizei vermutet, dass die Russin einen Auftragskiller angeheuert hat, der dem beliebten Goldbacher Ortsvorsteher den Garaus gemacht hat.‹ Holderberg unterbrach und grinste freudlos. Beliebt! Naja. Bei manchen vielleicht. Bei all den Dummen, die auf sein Geschleime reingefallen sind. Und denen er ihre Versicherungen angedreht hatte. ›Goldbach ist froh, wenn diese Frau endlich im Gefängnis schmort, wie sie es verdient‹, stand da noch. Er nahm den Wisch, knüllte ihn

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