Fischerkönig
seine Augenbrauen spärlich. »Ja?«, fragte er und schob gleich ein »Ich kaufe nichts« hinterher. »Brauchen Sie auch nicht«, erwiderte Heiko trocken und stellte sich und Lisa vor. »Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.« Der Mann zuckte die Schultern, ihm war es anscheinend egal. Er winkte nachlässig mit der linken Hand und führte die Kommissare durch einen weißen, klinisch wirkenden Flur in die Küche, die zwar teuer aussah, aber wegen mangelnder Dekoration irgendwie seelenlos wirkte. »Ist es in Ordnung, wenn wir in der Küche sitzen? Ich hab grad einen Kaffee gemacht. Wollen Sie auch einen?« Die Kommissare verneinten. »Sie sind verheiratet?«, vermutete Heiko. »Geschieden«, korrigierte der Mann und lächelte schief. »Darf man fragen, warum?«, forschte Lisa. Der Mann stierte sie unwillig an und zog dann böse die Augenbrauen zusammen, bevor er erwiderte: »Mit Verlaub, mein Fräulein, warum wollen Sie das denn wissen?« Lisa zuckte die Schultern, was, wie Heiko bereits mehrfach erfahren hatte, auf die meisten Menschen absolut entwaffnend wirkte. Auch bei Steidle schien es zu funktionieren. Er seufzte. »Ich hatte da ein kleines … Spielproblem. Das hat sie nicht ausgehalten.« Er sah zum Fenster hinaus, wo sich purpurfarbene Klematis an einem Rosenbogen emporrankte. Dann fügte er noch leiser hinzu: »Kann ich sogar verstehen, irgendwie.« Er wischte sich mit der linken Hand über die Glatze, was seltsamerweise ziemlich elegant wirkte.
Lisa räusperte sich. »Herr Steidle, wir sind hier, weil uns zu Ohren gekommen ist, dass der Herr Siegler den Verkauf Ihres Sees betrieben hat …«
»Das ist nicht mehr mein See«, unterbrach Steidle, und wieder klang es böse.
»Sicherlich können Sie sich denken, dass wir die Geschichte bereits kennen«, hielt Lisa dagegen. Steidle, der bisher einigermaßen lässig an der polierten Arbeitsplatte gelehnt hatte, sackte ein Stück tiefer. »Ich erkläre Ihnen mal, wie das ist«, meinte er dann. »An diesem See habe ich als Kind gespielt. Als junger Mann habe ich da geangelt, zusammen mit meinem Vater und meinem Opa. Mein Opa hat ihn mir dann vermacht und gesagt, ich solle ihn immer behalten, als Erinnerung an ihn. Er hat sogar noch auf dem Sterbebett behauptet, er käme den See ab und zu mal besuchen.« Wieder sah er zum Fenster hinaus und fuhr dann fort: »Natürlich glaube ich nicht an so einen Quatsch, aber Sie können sich vorstellen, dass dieser See für mich etwas Wichtiges war.« Eine Pause entstand, in der Steidle hörbar schluckte und Heiko und Lisa darauf warteten, dass er weiterredete. »Und dann kam diese Scheiße mit der Spielsucht. Erst fing es ganz langsam an. Harmlos. Mit einem Ausflug mit Freunden. Meine Frau war auch dabei. Und dann gefiel es mir. Es war spannend. Es gab mir einen Kick. Ich ging regelmäßig hin. Zuerst einmal im Monat, dann jede Woche. Am Schluss zockte ich um Geld, das ich nicht hatte.«
»Und da hat der Verein ausgeholfen.«
Steidle nickte etwas peinlich berührt. »Ja, hat er. Und der See war ja noch da. Ich konnte immer noch hin. Und ich hab immer gedacht, ich kaufe ihn mal zurück. Bis jetzt. Jetzt hat der Siegler ihn vertickt, wegen der Kohle. Geldgeldgeld, alles in meinem Leben ist wegen dem Scheißgeld den Bach runtergegangen.«
Lisa beugte sich verbindlich vor und meinte: »Wissen Sie, ich sage Ihnen das jetzt, weil ich Sie irgendwie verstehen kann: Ein Geständnis macht sich gut in einem Mordfall! Das kann schon mal über Mord oder Totschlag entscheiden und auf jeden Fall ein paar Jahre ausmachen.« Steidle schaute sie an, als sei sie ein Alien, das soeben auf seinem Rasen gelandet war und ihn bat, einzusteigen und nach Korrender mitzufliegen.
»Sie denken, dass ich es war?«, meinte Steidle fassungslos.
»Sie haben ein Motiv, sogar den Herrn Hintermann betreffend, dem man den Mord anhängen wollte. Sie hatten die Gelegenheit und sind dazu in der Lage«, dozierte Heiko. Nun lachte Steidle, und das Lachen kam direkt aus dem Bauch, es war laut und glucksend. »Stand nicht in der Zeitung, er wurde erdrosselt, mit dieser Kette?«, fragte er zwischen den etwas unheimlichen Lauten seines Gelächters.
»Ja. Das stand da. Und?«
Steidle stellte sich ganz langsam aufrecht hin und hob beide Hände vors Gesicht. »Ich kann es nicht gewesen sein. Ich bin dazu nicht in der Lage.« Heiko und Lisa starrten auf die Hände, an denen insgesamt sieben Finger waren. Während die linke Hand unversehrt war, klaffte an der
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