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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Kastner
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Mutter.
    Kurz darauf folgte die Trauergemeinde Saschas Sarg hinaus, wo von dem wolkenlosen Himmel nach wie vor so kraftvoll die Sonne schien, dass sie blendete. Wieder teilte sich die Menge vor der Kapelle, und wieder blieb Kassandra ein paar Schritte zurück. Die Sargträger führten den Zug an und gingen zunächst zur Allee zurück, auf der sie sich nach links wandten, vorbei an der Kapelle und dem Grab des ersten Direktors der Großherzoglichen Navigationsschule.
    Auf dem sich anschließenden Gräberfeld sah Kassandra Dietrich und Harms mitten zwischen den uralten, moosbewachsenen Kreuzen und Grabsteinen stehen, deren Inschriften kaum noch zu entziffern waren. Ein ganzes Stück hinter den Polizisten lehnten an der Friedhofsmauer kunstvoll gemeißelte Steine, zu denen es keine Gräber mehr gab. Am äußersten Ende des Friedhofs hatte man ebensolche Grabmäler rund um einen kleinen Hügel aufgeschichtet zum Andenken an alteingesessene Familien und damit zum Andenken an die Geschichte Wustrows. Paul kannte zu so ziemlich jedem alten Grabstein mindestens eine Geschichte, und normalerweise liebte Kassandra es, mit ihm über den Friedhof zu schlendern und ihm zuzuhören, wie er erzählte – über Kapitänsfamilien wie die Bradherings und Permiens, die Dades und Niemanns, über Künstler wie die Malerinnen Hedwig Woermann und Hedwig Holtz-Sommer, den Illustrator Fritz Koch-Gotha oder die Schriftstellerin Käthe Miethe – genauso wie über unzählige andere bemerkenswerte oder auch ganz einfache Fischländer, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten. Zu einer Beerdigung waren sie noch nicht gemeinsam hier gewesen, und sie hätte niemals für möglich gehalten, dass die erste, an der sie teilnahm, ausgerechnet die seines Bruders sein würde.
    An der Grabstelle, die in unmittelbarer Nähe zum hinteren Tor lag, das auf ein Waldstück hinausging, zog sich Kassandra ganz zurück. Sie beobachtete von einem knorrigen Baumstamm aus, wie die Menschen Erde auf den Sarg warfen und Paul und seiner Mutter kondolierten. Niemand verhielt sich auffällig. Die Fremden, die Kassandra anfangs bemerkt hatte, nahmen an dieser Zeremonie nicht mehr teil.
    Gerade sah sie, wie Bruno Margarethe Freese zuerst vorsichtig und dann fester umarmte, als direkt neben ihr jemand sagte: »Ich will mit Paul sprechen, gleich nach dem Zirkus hier. Es ist mir egal, wie er das anstellt und wie er sich von seiner Mutter loseist. Ich warte drüben an der alten Wasserleichenhalle. Sagen Sie ihm das.«
    Kassandra hätte sich nicht umdrehen müssen, sie hatte Clemens Meisners Stimme auch so erkannt, die ebenso feindselig klang, wie sein Blick vorhin gewesen war.
    Â»Weshalb kommen Sie nicht einfach zur Kaffeetafel bei Inga Lange?«, fragte sie bedeutend ruhiger, als sie sich fühlte. »Da könnten Sie ganz unauffällig miteinander sprechen.«
    Â»Warum sollte ich Wert darauf legen, unauffällig mit ihm zu reden?«, fuhr er Kassandra gereizt an. »Ich habe gesagt, ich warte an der Halle, und das werde ich tun. Wenn Paul sich nicht blicken lässt, könnte es sein, dass er das später bereut.« Er wollte sich abwenden, doch Kassandra hielt ihn mit ihren nächsten Worten zurück.
    Â»Sie legen sehr wohl Wert auf ein unauffälliges Treffen, sonst hätten Sie nicht den zugewachsenen Schuppen an der Mauer gewählt, hinter dem man sich so gut verstecken kann. Wenn nun aber einer der Trauergäste beschließt, noch ein bisschen zu bleiben, Sie beide sieht – und sich fragt, was Sie weit ab vom Schuss Geheimnisvolles zu bekakeln haben?« Kassandra wunderte sich selbst über ihren gelassenen Tonfall angesichts der Tatsache, dass Meisner eben eine ziemlich deutliche Drohung ausgesprochen hatte. Aber aus eben dem Grund wollte sie Paul lieber nicht allein mit ihm sprechen lassen.
    Meisner ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen, nickte und wandte sich endgültig ab. Kassandras Blick folgte ihm. Als er an Dietrich und Harms vorbeiging, sah Dietrich von ihr zu Meisner und zurück, während Harms auf ihn einredete. Was er sagte, konnte Kassandra nicht verstehen. Doch als Dietrich sich ihm zuwandte, spiegelte sich Ärger in seinem Gesicht wider. Er entgegnete etwas, was von Harms mit einem vehementen Kopfschütteln quittiert wurde, gefolgt von einem neuerlichen Wortschwall, aus dem der Wind nur Fetzen an Kassandras

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