Fischland-Rache
du hast deine Agentin gleich mitgebracht, Herr Hardenberg, wie schön«, begann er mit beiÃender Ironie.
Paul hob nur die Brauen, was Meisner noch wütender machte. Es kostete ihn sichtlich Anstrengung, nicht loszubrüllen, sondern in einigermaÃen normalem Tonfall zu sagen: »Der leider zum Quatschen neigende Herr Jönsson aus Schwerin hat nach eurem netten kleinen Schauspiel den berühmten Schriftsteller gegoogelt, dem er behilflich sein durfte. Kann man sich sein Erstaunen vorstellen, als ihm da ein ganz anderer Mann von einem Foto entgegensah, als der, mit dem er gesprochen hatte? Da ist ihm verständlicherweise der Arsch auf Grundeis gegangen, also hat er sich ans Telefon gehängt, mich angerufen und rumgestottert, dass er einen klitzekleinen Fehler gemacht haben könnte. Er beschrieb mir Alexander Hardenberg und seine Annerose Dingenskirchen«, hier blitzte er Kassandra an, »und nach eurem Interesse an meiner Person am Sonntagabend fiel es mir nicht schwer zu erraten, wer Jönsson da gelinkt hatte.« Er sah wieder Paul an, als erwartete er endlich eine Reaktion, die jedoch ausblieb. Dass Paul nicht ganz so gelassen war, wie er tat, spürte nur Kassandra, die sehr dicht neben ihm stand. Clemens Meisners rechte Hand ballte sich zur Faust, als wollte er zuschlagen. Doch er atmete tief durch und fuhr fort: »Ich dachte zuerst, du hättest enorme Chuzpe, dich als Hardenberg auszugeben, bis ich den selbst gegoogelt und deinen Vater auf dem Foto erkannt habe.« Sein Ton wurde sarkastisch. »Vom Lagerarbeiter zum Fischverkäufer zum Bestsellerautor. Hast ja richtig was aus deinem Leben gemacht, Paul, Gratulation.« Seine Augen verengten sich. »Wenn du das weiter genieÃen willst, halt dich aus meinem raus.«
Diesmal reagierte Paul prompt. »Dein Leben interessiert mich nicht, nur die Nacht, in der Sascha starb. Was wolltest du da in Wustrow?«
Meisner hob in einer Imitation von Paul seine Brauen. »Ich war nicht in Wustrow, und du wirst niemanden finden, der das Gegenteil behauptet.«
»Das muss ich nicht. Der Kilometerstand deines Mietwagens spricht eine deutliche Sprache.«
Der überhebliche Ausdruck verschwand kurz aus Meisners Gesicht. »Das ist lächerlich, du â¦Â«
»Ich glaube nicht, dass die Polizei das lächerlich finden wird«, unterbrach ihn Paul. »Insbesondere nicht im Zusammenhang mit dem, was meine Mutter vorhin sagte. Sie ist alt, aber ihr Gedächtnis funktioniert noch tadellos. Wenn sie sagt, dass Sascha vor Kurzem mit dir gesprochen hat, war das so.«
»Blödsinn! Selbst wenn die Polizei das Gedächtnis deiner Mutter nicht in Zweifel zöge, würde man die Möglichkeit berücksichtigen, dass Sascha ganz einfach gelogen hat.«
»Warum hätte er das tun sollen?«, fragte Kassandra.
»Was weià ich? Geltungssucht?« Er grinste Paul an, plötzlich wieder obenauf. »Du wirst zugeben, dass Sascha dieser Charakterzug nicht völlig fremd war.«
»Richtig.« Paul nickte bedächtig. »Er war auÃerdem sehr penibel, schrieb immer alles auf, was ihn beschäftigte.« Mehr sagte er nicht, aber es reichte, um Clemens Meisners neu gewonnenes Selbstbewusstsein bröckeln zu lassen.
»Schön für ihn«, murmelte er. Zum ersten Mal wandte er den Blick ab und sah hinüber zur Alten Eiche in der Mitte des Platzes. »Beabsichtigst du, da weiterzumachen, wo dein geschätzter Bruder aufzuhören gezwungen wurde?«
»Clemens«, sagte Paul leise. »Ich meinte, was ich vorhin sagte. Es interessiert mich nicht, was in Saschas Notizbuch steht â solange es nicht die Dinge betrifft, die letzte Woche passiert sind.«
»Aber wenn es sie doch betreffen sollte, bist du bereit, mein Leben zu zerstören?«, fragte Meisner ebenso leise. »Für Sascha? Für dein mieses Schwein von Bruder?« Die letzten Worte stieà er hasserfüllt hervor.
Paul schüttelte den Kopf. »Nicht für Sascha. Aber ich kann nicht zulassen, dass jemand unschuldig im Gefängnis sitzt.«
Meisners Blick kehrte zu Paul zurück, hart und feindselig wie eh und je. »Wie edel. Du warst ja schon immer ein Heiliger, sei bloà vorsichtig, dass aus dir kein Märtyrer wird.«
»Herr Meisner â¦Â«, begann Kassandra.
»Halten Sie sich da raus, Frau Annerose! Das ist eine Sache zwischen Paul und mir.«
»Das sehe ich anders«,
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