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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Kastner
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Geduld auf sie eingeredet, bis sie bereit war, das Haus zu verlassen. Nun erschrak sie über die vielen Leute und drückte sich dichter an Paul, der beschützend seinen Arm um ihre Schultern legte. Seine Miene blieb undurchdringlich, er sah weder nach links noch nach rechts, sondern konzentrierte sich ganz auf seine Mutter. Kassandra löste sich von Margarethe Freeses Seite, blieb ein, zwei Schritte zurück und versuchte, in den Gesichtern zu lesen, die ihr teils offen, teils verschlossen entgegensahen. Drei, vier Leute wirkten, als würden sie sich hier fremd fühlen, sie mochten Bekannte von Sascha sein, aus Stralsund oder anderswo. Ob jemand von ihnen ebenso dubiose Geschäfte betrieb, wie er das getan hatte, sah man leider keinem an.
    Ein paar Schritte entfernt stand dezent im Hintergrund, aber dennoch Präsenz zeigend, Kay Dietrich. Er war nicht allein gekommen, sondern hatte seinen Kollegen Harms bei sich. Gerade noch rechtzeitig konnte Kassandra sich zurückhalten, Dietrich zuzunicken.
    Sie betrat die Kapelle nach Paul und seiner Mutter. Gleich im Eingangsbereich vor dem kleinen Altar mit dem Kruzifix, das vor dem hellen Fenster der Apsis wie ein Schattenriss wirkte, war Saschas sehr schlichter Buchensarg aufgebahrt. Darauf lag als einziger Schmuck ein Kranz aus weißen Rosen. Paul und seine Mutter blieben einen Augenblick vor dem Sarg stehen, was Kassandra Gelegenheit gab, ihren Blick über die sechs Stuhlreihen schweifen zu lassen, die bis auf die drei für sie reservierten Plätze ganz vorn vollständig besetzt waren, sodass alle anderen die Trauerfeier von der Wiese aus verfolgen mussten.
    Auf den schlichten Holzstühlen entdeckte sie Violetta mit ihren Eltern, ihre Tante Irene dagegen war nicht gekommen. Bruno, der ziemlich weit hinten Platz genommen hatte, womöglich, um den Rest der Trauergemeinde gut im Blick zu haben, schien gerade nachdenklich in sich selbst hineinzuhorchen. Thomas Hartmann hatte offenbar seine Termine verschieben können, und neben ihm saß tatsächlich Clemens Meisner. Als der aufsah, schaute er Kassandra dermaßen feindselig an, dass ihr der Atem stockte. Er war ihr am Telefon zwar nicht übermäßig enthusiastisch erschienen, aber auch nicht rundheraus ablehnend. Wenn er es sich anders überlegt haben sollte – warum war er überhaupt hier? Meisners Blick schien sich in ihre Augen zu bohren, Kassandra spürte eine Gänsehaut über ihre Arme laufen und sah zur Seite. Dabei nahm sie Ralf Peters wahr, der ihr, wenn auch zögernd, zunickte. Es kostete sie einige Mühe, nun nicht selbst diejenige zu sein, die vergiftete Pfeile abschoss. Sie verbot sich, daran zu denken, was Peters getan hatte.
    Paul und seine Mutter wandten sich vom Sarg ab, und Kassandra war überzeugt, dass er in dem kurzen Moment, den er benötigte, um seine Mutter zu der vorderen Stuhlreihe zu führen, die Menge genau beobachtete. Nachdem Margarethe Freese auf dem mittleren der drei Stühle Platz genommen hatte, setzten sich er und Kassandra links und rechts von ihr.
    Ein, zwei Minuten lang war abgesehen von leisem Hüsteln und dem Scharren von Füßen nichts zu hören, dann trat ein dunkel gekleideter Mann nach vorn. Sascha hatte wie seine gesamte Familie keiner Konfession angehört, und was der Trauerredner nun über ihn sagte, entsprach weitestgehend dem, was Margarethe Freese am vergangenen Abend schon über seine Kindheit, Jugend und sein frühes Erwachsenenleben erzählt hatte. Er tat das sehr einfühlsam, sodass kaum auffiel, dass Saschas spätere Jahre, besonders die letzten fünfzehn, über die so wenig bekannt war, fast keine Rolle spielten. Zum Ende kam der Redner auf etwas zu sprechen, was Kassandra wider Erwarten schlucken ließ.
    Â»Wir wissen nicht, was nach dem Tod mit uns passiert, und jeder mag seine eigenen Vorstellungen davon haben. Sascha Freese hatte einmal Kosmonaut werden wollen – und vielleicht hat sich sein Wunsch nach so vielen Jahren auf eine ganz eigene Art und Weise erfüllt, vielleicht ist er nun irgendwo da draußen zwischen den Sternen.«
    Kassandra schaute zur Seite. Auf Margarethe Freeses ansonsten starrem Gesicht lief eine Träne die Wange hinunter. Ihre Hände lagen in ihrem Schoß, Paul hatte seine Rechte darübergelegt. Kassandra hob ihren Blick und sah an Margarethe Freese vorbei zu ihm. Sie erkannte kein Anzeichen von Trauer, nur Sorge um seine

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