Fish vor die Hunde
Luxus zu sein, den sich niemand mehr leisten konnte. Was nicht heißt, daß die reichen Leute je aus Liebe geheiratet hätten.
Ich war ein freier Mann und ging ins San Marco, um die Morgenzeitungen zu lesen. Dabei war ich noch so versunken in meine Grübeleien über den desolaten Zustand der Liebe heutzutage, daß ich fast Pater Declan Doherty über den Haufen rannte, der, seinen altgedienten roten Leinenbeutel unter den Arm geklemmt, nach Westen Richtung St.-Vincent’s-Krankenhaus unterwegs war.
»Sydney!« rief er begeistert. »Ich hab Sie ja ewig nicht mehr gesehen, seit... wann?«
»Seit ich auf der Suche nach Bernie Coogans Sohn war.«
Der Auftrag, den angeblich entführten Sohn eines bekannten Pornohändlers zu finden, war einer meiner Lieblingsfälle gewesen. Beinahe alle Beteiligten hatten gelogen, außer dem Pornohändler; da konnte man wirklich seinen Glauben an die Menschheit verlieren. Und es war gut ausgegangen. Gerade noch.
»Wie geht es dem Jungen?« fragte er.
»Ist wieder bei seiner Mutter. Ich glaub, er hat sich selbst einen Schrecken eingejagt.«
Der Priester lachte. »Haben Sie Zeit für einen Kaffee, Sydney?«
»Komischer Zufall, daß Sie das fragen, Pater. Ich bin nämlich gerade auf dem Weg ins San Marco.«
»Hier bin ich noch nie gewesen«, bemerkte er, als wir uns im Garten unter einem Sonnenschirm niederließen.
»Sie lassen nach«, sagte ich. Der Priester kannte jeden anderen Coffee-Shop im Stadtgebiet von Sydney.
»Sagen Sie mal, Sydney, wissen Sie irgend etwas über diese schreckliche Geschichte mit Paul Pringle?«
»Ja, ich hab sogar gerade für ihn gearbeitet, als er umgebracht wurde.« Es war richtig befreiend, Pringle zur Abwechslung mal wieder er zu nennen. Ideologien sind eine Strapaze.
»Schlimme Sache«, sagte der Priester, und ich war nicht sicher, ob er Pauls sexuelle Verwirrungen, seinen Lebensstil oder die Umstände seines Todes meinte.
»Ja. Wir sind auf die gleiche Schule gegangen.«
»Das hatte ich vermutet. Wie war er damals?«
»Unausstehlich, defensiv, clever, faul und ein guter Schwimmer.«
Der Priester nickte, als ob sich das mit dem deckte, was er bereits gehört hatte. Sein Nachrichtennetz war legendär und seine Informationen verläßlich und immer auf dem neuesten Stand: Computer hatte er nicht nötig. Wir unterhielten uns eine Zeitlang über Pringle und neumodische sexuelle Sitten, kamen dann auf andere gemeinsame Bekannte zu sprechen und redeten schließlich übers Kino, wo Doherty jede freie Minute verbrachte.
»Das eigentliche Rätsel bei diesem Fall ist für mich, warum Paula so versessen darauf war, die Surrey Street zu retten«, kam ich wieder auf unseren Krimi zu sprechen. »Ich weiß, daß ihre Großmutter mal da gewohnt hat, aber...«
»Nun ja, ich hab da was läuten gehört — ist natürlich streng vertraulich — , daß Paula jemanden in der Parteizentrale wegen der Vorauswahl für East Sydney angesprochen hat«, sagte der Priester, der jeden Labour-Apparatschik im ganzen Land kannte oder zumindest deren Vettern ersten Grades.
»Politik? Paula? Natürlich. Ray hat erzählt, Paula hätte in so ner Art Midlife-crisis gesteckt, und zumindest am Rande hat sie sich seit Jahren mit Politik beschäftigt. Es paßt.«
»Ehrlich gesagt, ich glaub nicht, daß die Labour Party allzu erpicht darauf war«, sagte der Priester. »In Anbetracht ihrer sexuellen Orientierung und der Prostitution Und so weiter.«
Das konnte ich mir vorstellen. »Aber Paula hatte vielleicht im Prinzip den richtigen Riecher, Pater. Die Wählerschaft hat sich in den letzten paar Jahren total verändert. Das sind keine Arbeiter mehr, das sind Mittelschichtsschwule.«
»Nebenbei gesagt, es wär vielleicht peinlich für seine Schwester geworden«, sagte der Alte.
Ich hätte mir denken können, daß irgendwas in dieser Art kommen würde: Doherty ist ein Meister des psychologischen Hinterhalts.
»Wie meinen Sie das?« Ich war hellhörig geworden.
»Paul Pringle hatte eine Schwester. Sie war ungefähr zehn Jahre älter. Ein sehr nettes Mädchen. Sie hieß Jenny.«
Jenny ist ein verbreiteter Name, aber ich spürte, wie meine Nackenmuskeln steif wurden. »Was ist aus ihr geworden?«
»Sie hat diesen Lackaffen Nelson Farley geheiratet. Von dem haben Sie bestimmt schon gehört. Farley hat ja überall seine Hand im Spiel.«
Aber nicht immer in den Spielchen, die ihm unterstellt werden, dachte ich. Das warf ein vollkommen neues Licht auf seine Verbindung zu Paula Prince. Er
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