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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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seine gemeine Herkunft verrät.«
    Ich fühlte mich gedemütigt, dennoch ertrug ich die Schläge, die er mir verabreichte. Jeden einzelnen ließ er Hohn und Spott folgen. Dann verkündete er mit erhobener Stimme, das alte Verbot, einen Bastard in die Gabe einzuweihen, wäre eigens aufgestellt worden, um hässliche Vorfälle wie diesen zu vermeiden.
    Anschließend stand ich schweigend und voller Scham an meinem Platz, während er die Reihen entlangging und jedem meiner Kameraden einen beiläufigen Hieb mit der Gerte versetzte,
»denn für den Fehler eines einzelnen von euch müssen alle büßen.« Was störte es da noch groß, dass er mit seinen Worten leeres Stroh drosch oder dass die Peitschenhiebe mehr eine symbolische Züchtigung waren, verglichen mit dem, was Galen mir soeben weit Schlimmeres zugemessen hatte. Nichtsdestotrotz war da die Vorstellung, dass sie alle für mein Vergehen bezahlen mussten. Nie in meinem Leben hatte ich mich derartig geschämt.
    Dann entließ er uns zu einer weiteren freudlosen Abendmahlzeit. Diesmal wurde überhaupt nicht gesprochen, weder auf der Treppe noch bei Tisch, und sobald ich den letzten Bissen hinuntergewürgt hatte, ging ich auf dem kürzesten Weg nach oben in mein Zimmer.
    Bald gibt es Futter, versprach ich dem hungrigen Welpen, der sehnsüchtig auf mich gewartet hatte. Obwohl mir alle Glieder wehtaten, zwang ich mich, das Zimmer zu säubern, entfernte Fäustels Hinterlassenschaften und holte frisches Bodenstreu. Fäustel schmollte, weil er den ganzen Tag allein gelassen worden war, und ich machte mir Sorgen, weil ich nicht einmal wusste, wie lange diese vermaledeite Ausbildung dauern sollte.
    Erst als ich damit rechnen konnte, dass die Bewohner der Burg den Schlaf der Gerechten schliefen, wagte ich mich hinaus, um Fäustel sein Fressen aus der Küche zu holen. Ich hegte natürlich die Furcht, dass Galen von meinem neuerlichen Ungehorsam erfuhr, aber was blieb mir anderes übrig? Mitten auf der großen Treppe entdeckte ich plötzlich einen flackernden Lichtschein, der sich mir näherte. Ich drückte mich gegen die Wand, überzeugt, von Galen auf frischer Tat ertappt worden zu sein. Aber dann war es der Narr, der die Stufen heraufkam, so weiß und bleich wie die Wachskerze, die er trug. Auf dem Napf in der
anderen Hand balancierte er einen Wasserkrug. Wortlos bedeutete er mir, in mein Zimmer umzukehren.
    Sobald wir dann dort waren und die Tür hinter uns geschlossen hatten, drehte er sich zu mir herum. »Ich kann für dich auf den Welpen aufpassen«, sagte er trocken. »Aber auf dich kann ich nicht aufpassen. Benutze deinen Verstand, Junge. Glaubst du wirklich, etwas zu lernen, indem du dich von ihm malträtieren lässt?«
    Leichtsinnig zuckte ich die Schultern und verzog vor Schmerz das Gesicht. »Das soll nur dazu dienen, uns abzuhärten. Es ist die Vorbereitung, bis er anfängt, uns ernsthaft zu unterrichten. Ich halte das aus. Aber« - ich gab Fäustel einzelne Fleischstücke aus der Schüssel - »woher weißt du, was Galen uns zumutet?«
    »Ah, das hieße, etwas ausplaudern«, versetzte der Narr munter, »und das kann ich nicht tun. Plaudern, meine ich.« Er schüttete Fäustel den Rest Fleisch hin, füllte seinen Wassernapf erneut auf und erhob sich.
    »Ich werde den Hund füttern«, sagte er. »Ich werde sogar versuchen, ihn jeden Tag etwas auszuführen. Was ich aber keinesfalls tue, ist, seinen Unrat aufwischen.« Er blieb an der Tür stehen. »Da ziehe ich die Grenze. Du solltest ebenfalls entscheiden, wo du die Grenzen ziehen willst. Und tu es bald. Sehr bald. Die Gefahr ist größer, als du ahnst.«
    Dann war er fort, mitsamt der Kerze und seinen unheilvollen Warnungen. Ich legte mich hin und schlief ein, während Fäustel mit einem Knochen großer böser Wolf spielte und sich im Knurren übte.

KAPITEL 15
    DIE ZEUGENSTEINE
    D ie Gabe, in ihrer rudimentärsten Form, ist die Übertragung der Gedanken von einer Person zur anderen. Man kann sie auf verschiedene Art nutzen. Während der Schlacht kann zum Beispiel der Befehlshaber einfache Informationen und Order unmittelbar an seine Offiziere weitergeben, falls diese Offiziere entsprechend ausgebildet sind. Jemand mit überdurchschnittlich großer Begabung ist in der Lage, auch ein unausgebildetes Bewusstsein oder den Verstand eines Feindes zu beeinflussen und ihm Furcht, Verwirrung oder Zweifel einzuflößen. Menschen mit solchem Talent sind rar. Doch ein Kundiger, dem die Gabe in besonders hohem Maße zuteilgeworden

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