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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Einflüsse schirmten wir uns ab: Wir sahen und hörten nur Galen. Anfangs vermisste ich Chade, fragte mich auch, was Burrich und Prinzessin Philia tun mochten. Im Lauf der Zeit verloren solche Banalitäten für mich jedoch an Interesse. Sogar der Narr und Fäustel wurden mir irgendwann lästig, so ausschließlich strebte ich danach, Galens Ansprüchen zu genügen. Doch es gab ebenfalls Augenblicke voller Müdigkeit und Resignation, da war Fäustels Nase an meiner Wange der einzige Trost, den ich hatte, Augenblicke, in denen ich mich dafür schämte, wie sträflich ich meinen vierbeinigen Freund vernachlässigte.
    Nach drei von Kälte und unbarmherzigem Drill geprägten Monaten war unsere Gruppe auf acht Kandidaten zusammengeschrumpft, worauf die eigentliche Ausbildung begann. Gleichzeitig gestattete Galen uns ein gewisses Maß an Annehmlichkeiten und Würde. Das waren alles Kleinigkeiten, aber sie erschienen uns nicht nur als unvorstellbarer Luxus, sondern als Geschenke von Galen, für die man dankbar sein musste. Ein Stück Dörrobst zu unserer mageren Kost, die Erlaubnis, Schuhe zu tragen, kurze Gespräche bei Tisch - das reichte schon, und wir waren bereit, ihm die Füße zu küssen. Aber das war nur der Beginn der Veränderungen.
    Bei mir kehrt in einzelnen Bildern die Erinnerung zurück. Wie er mich das erste Mal mit der Gabe berührte. Wir standen auf der Terrasse, und da wir nur noch so wenige waren, jeder ein großes Stück von seinem Nebenmann entfernt. Er ging
von einem zum anderen, und vor jedem hielt er einen Moment inne, während wir übrigen in ehrfürchtigem Schweigen warteten. »Wappnet euer Bewusstsein für die Berührung. Öffnet euch, doch erliegt nicht der Lust. Der Zweck der Gabe ist nicht, Lust zu empfinden.«
    Wegen der großen Abstände zwischen uns konnten wir unsere Gesichter nicht sehen, und Galen hatte verboten, dass wir uns »die Hälse verrenkten«. Deshalb hörten wir nur seine knappe, strenge Ermahnung und gleich darauf den scharfen Atemzug eines jeden Berührten. Zu Serene sagte er verachtungsvoll: »Öffnen sollst du dich und nicht auf dem Bauch kriechen wie ein getretener Hund.«
    Zu guter Letzt war ich an der Reihe. Nach einer seiner früheren Anweisungen versuchte ich, jede andere Sinneswahrnehmung auszuschließen und mich einzig und allein auf ihn zu konzentrieren. Ich fühlte die Berührung seines Geistes wie ein leichtes Kitzeln an der Stirn. Dennoch ließ ich nicht nach. Das Gefühl wurde stärker, gewann an Wärme, wurde zum Licht, aber ich ließ mich nicht hineinziehen. Galen war in meinem Bewusstsein angelangt und betrachtete mich streng, dennoch gelang es mir, seinem Blick standzuhalten, indem ich mich der Meditationstechniken bediente, die er uns gelehrt hatte. Dabei spürte ich die Ekstase der Gabe, ohne ihr jedoch zu erliegen. Dreimal durchströmte mich die Wärme, und dreimal hielt ich stand, dann zog er sich zurück. Er schenkte mir ein verdrossenes Kopfnicken, doch in seinen Augen las ich nicht Anerkennung, sondern eine Spur von Angst.
    Diese erste Erfahrung der Gabe wirkte als Funke, der das Feuer entfachte. Ich begriff ihre Bedeutung. Noch beherrschte ich sie nicht, noch war ich nicht imstande, meine Gedanken
zu übermitteln, aber mir war eine Gewissheit zuteilgeworden, die sich nicht in Worte fassen ließ. Die Gewissheit, dass ich zu den Begabten gehörte, dass ich fähig sein würde, von der Gabe Gebrauch zu machen und nichts, nicht einmal Galen und was er an Mitteln ersinnen konnte, hätte mich davon abgehalten, sie zu erlernen.
    Ich glaube, er wusste das. Aus irgendeinem Grund machte es ihm Angst, denn in den nächsten Tagen setzte er mir auf eine Art zu, die mir rückblickend unglaublich erscheint. Ich musste harte Worte und Strafen hinnehmen, aber sie erreichten nicht ihren Zweck. Einmal versetzte er mir mit der Gerte einen Schlag ins Gesicht, wovon eine rote Strieme zurückblieb. Und ausgerechnet als ich den Speisesaal betrat, war auch Burrich dort. Ich sah, wie sich seine Augen vor Schreck weiteten. Er sprang von der Bank auf, und seine Zähne knirschten auf eine Art, die ich nur zu gut kannte. Rasch wandte ich den Kopf zur Seite und schaute zu Boden. Einen Moment lang stand er da und starrte auf Galen, der seinen Blick hochmütig erwiderte. Schließlich wandte Burrich sich mit geballten Fäusten ab und verließ den Raum. Ich atmete auf - es war zu keinem Zusammenstoß gekommen. Aber dann sah Galen mich an, und bei dem triumphierenden Ausdruck auf seinem

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