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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Haltungen zu wechseln. Er schritt zwischen uns einher und teilte mit seiner bösartigen kleinen Peitsche Hiebe und mit seiner gehässigen kleinen Zunge Beleidigungen aus. Gelegentlich versetzte er einem von uns einen Schubs oder Stoß, was viel mehr schmerzt, wenn man bis auf die Knochen durchgefroren ist.
    Wer unter diesen Repressalien zusammenzuckte oder auch nur schwankte, wurde als Schwächling beschimpft. Unaufhörlich warf er uns vor, wie unwürdig wir seien, und wiederholte abermals, dass er sich nur auf des Königs Wunsch bereitgefunden hätte, sich mit uns abzumühen. Die Frauen ignorierte er wie schon am Tag zuvor, und obwohl er viel von früheren Prinzen und Königen erzählte, die ihre Gabe zur Verteidigung des Reichs eingesetzt hatten, erwähnte er kein einziges Mal die Königinnen oder Prinzessinnen, von denen die Geschichte ebenfalls zu berichten wusste. Überdies hielt er es offenbar nicht für notwendig, uns zu erklären, was er uns eigentlich beizubringen versuchte. Sein Unterricht führte nur zu Kälte und Krämpfen in den Beinen und zu der Ungewissheit, wann uns der nächste Peitschenhieb treffen würde. Weshalb wir die Zähne zusammenbissen und seine Schikanen ertrugen, weiß ich nicht. Unbegreiflich schnell waren wir alle zu Komplizen unserer eigenen Erniedrigung geworden.
    Dann endlich senkte sich die Sonne wieder dem Horizont entgegen - doch Galen hatte sich für uns noch zwei Überraschungen aufgespart. Einige Zeit lang durften wir uns entspannen
und strecken, bevor er zu einer abschließenden Belehrung ansetzte, um uns vor denen unter uns zu warnen, die unser aller Erfolg durch törichte Selbstsucht gefährdeten. Während er sprach, stolzierte er langsam zwischen unseren Reihen auf und ab; und wo er vorbeikam gab es rollende Augen oder atemloses Schweigen. Danach begab er sich zum ersten Mal in die Frauenecke der Dachterrasse.
    »Einige von euch«, warnte er dabei, »dünken sich über die Regeln erhaben. Sie glauben, ihnen stünden besondere Aufmerksamkeit oder gar Sonderrechte zu. Solcher Hochmut muss euch aber ausgetrieben werden, bevor ihr wirklich mit dem Lernen beginnen könnt. Ich wüsste mir weit Besseres, als solche Dummköpfe und Taugenichtse in die Geheimnisse der Gabe einzuweihen. Eine Schande, dass ihresgleichen Eingang in unseren Kreis gefunden hat, aber da es nun einmal so ist, will ich mich dem Wunsch unseres Monarchen beugen und versuchen, sie zu lehren. Auch wenn ich nur ein Mittel kenne, trotzige Gemüter wie diese auf den rechten Weg zu bringen.«
    Merry erhielt zwei wohlgezielte Hiebe, doch Serene stieß er auf die Knie nieder und ließ viermal die Peitsche auf ihren Rücken sausen. Noch heute schäme ich mich, dass ich wie die anderen zuschaute, ohne einen Finger zu rühren, und nur inständig hoffte, sie möge keinen Schmerzenslaut von sich geben, damit Galen sich nicht versucht fühlte, sie noch weiter zu strafen.
    Doch Serene erhob sich, schwankte nur einmal kurz, richtete sich wieder ganz auf und blickte still über die Köpfe der vor ihr stehenden Mädchen hinweg. Ich seufzte erleichtert auf, aber schon war Galen wieder zurück bei uns und umkreiste uns wie der Hai das Fischerboot, während er sich über jene verbreitete, die es nicht nötig zu haben glaubten, sich der Disziplin der
Gruppe unterzuordnen. Zum Beispiel jene, die sich hemmungslosen Schlemmereien hingaben, während wir anderen uns mit gesunden Körnern und der richtigen Nahrung begnügten. Ich fragte mich unruhig, wer so dumm gewesen war, zu später Stunde noch der Küche einen Besuch abzustatten.
    Dann zog die Peitsche eine rotglühende Spur über meinen Rücken. Wenn ich gedacht hatte, es könne nicht mehr schlimmer werden, belehrte er mich eines Besseren.
    »Du wolltest mich hintergehen. Du dachtest, ich würde es nicht erfahren, wenn die Köchin für ihren kleinen Liebling eine Schüssel mit Leckerbissen beiseitestellt, habe ich Recht? Aber ich erfahre alles, was in Bocksburg vor sich geht. Gib dich da keinen Täuschungen hin.«
    Mir dämmerte, dass er die Reste meinte, die ich für Fäustel geholt hatte.
    »Das Fleisch war nicht für mich«, protestierte ich und hätte mir gleich darauf am liebsten die Zunge abgebissen.
    Seine Augen glitzerten vor Kälte. »Aus Feigheit nimmst du Zuflucht zu einer Lüge. Du wirst niemals die Gabe beherrschen. Du bist ihrer nicht würdig. Dennoch hat der König befohlen, dass ich dich unterweise, also tue ich es. Trotz eines Dummkopfs wie dir, der mit jeder Tat

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