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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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letzten Monat war er ständig unterwegs gewesen, und jeder seiner prächtigen Reitertrupps war glanzvoller und prächtiger gewesen als der zuvor. Ich hatte den Eindruck, dass er die Brautwerbung für seinen Bruder als Vorwand benutzte, sich selbst auszustaffieren wie einen Pfau. Es hieß, als Repräsentant des Königshauses müsse er diesen Aufwand betreiben, um seine Verhandlungspartner zu beeindrucken. Ich jedoch betrachtete diesen Pomp als reine Geldverschwendung, Geld, das besser in die Verteidigung geflossen wären. In Edels Abwesenheit fühlte ich mich erleichtert, denn seine Feindseligkeit mir gegenüber hatte sich bis dahin noch gesteigert, und er hatte zahllose subtile Methoden ersonnen, um mir das Leben schwerzumachen.

    Bei meinen seltenen Begegnungen mit Veritas und dem König hatten beide Männer auf mich voller Sorgen und erschöpft gewirkt. Veritas insbesondere ging umher wie ein Schlafwandler. Wortkarg und geistesabwesend nahm er nur einmal Notiz von mir, und da lächelte er müde und meinte, ich wäre doch wohl gewachsen. Damit erschöpfte sich unsere Unterhaltung. Überdies war mir aufgefallen, dass er aß wie ein Kranker, völlig ohne Appetit. Brot und Fleisch ließ er liegen, als wäre ihm schon die Anstrengung des Kauens zu groß, stattdessen begnügte er sich mit Haferbrei und Suppen.
    »Er macht übermäßig von der Gabe Gebrauch«, erklärte Chade. »Listenreich hat es mir gesagt. Das allein erklärt aber nicht den rapiden Kräfteverfall und die zunehmende Schwäche. Also gebe ich ihm Tränke und Elixiere und versuche ihn zum Schlafen zu bringen. Doch er kann nicht schlafen. Er darf nicht, sagt er, weil nur der Einsatz seiner ganzen Kraft ausreichen würde, um die Steuermänner der Roten Korsaren zu blenden und ihren Kapitänen den Mut zu rauben. Deshalb erhebt er sich von seinem Bett und geht zu seinem Stuhl am Fenster, und dort sitzt er den ganzen Tag.«
    »Und Galens Zirkel? Sind sie ihm keine Hilfe?« Wie sehr hoffte ich zu hören, dass Galens Elite sich als Fehlschlag erwiesen hatte.
    Chade seufzte. »Ich vermute, er setzt sie ein, wie ich Brieftauben einsetzen würde. Er lässt sie über ihre Gabe Botschaften zu den Türmen senden, um den Soldaten dort Warnungen zu übermitteln und umgekehrt von ihnen zu erfahren, ob feindliche Schiffe gesichtet wurden. Aber die Sicherung der Küsten übernimmt er selbst. Andere, hat er mir gesagt, wären dazu zu unerfahren, sie könnten sich mit der Gabe genau denen verraten,
die sie eigentlich beeinflussen wollen. Ich verstehe nichts davon, aber ich weiß, über kurz oder lang wird er einen Zusammenbruch erleiden. Ich bete, dass der Sommer bald zu Ende ist und dass die Winterstürme die Roten Korsaren zu den Inseln zurücktreiben. Gäbe es doch jemanden, ihn bei seinem Werk zu unterstützen. Ich fürchte, er verausgabt sich.«
    Dabei schienen mir seine Worte eine unausgesprochene Zurechtweisung wegen meines schmählichen Verhaltens zu beinhalten. Gekränkt wandte ich mich von ihm ab und unternahm einen Rundgang durch das Zimmer, das nach meiner langen Abwesenheit fremd und doch vertraut wirkte. Die Gerätschaften für die Zubereitung seiner Kräutermedizin lagen wie immer überall verstreut. Schleichers Anwesenheit machte sich durch seine übelriechenden Knochen in den Ecken bemerkbar. Auf mehreren Stühlen häuften sich Tafeln und Schriftrollen. Dieses Mal schien es sich hauptsächlich um Aufzeichnungen über die Uralten zu handeln. Ich schaute genauer hin, fasziniert von den farbenprächtigen Illuminationen. Eine Tafel, älter und reicher ornamentiert als die übrigen, stellte einen Uralten als eine Art golden glänzendes Vogelwesen dar, mit einem menschenähnlichen Kopf und einer Federkrone. Ich bemühte mich, die Inschrift zu entziffern. Sie war in Piche abgefasst, einer alten Sprache aus Chalced, der südlichsten Provinz. Viele der aufgemalten Symbole und Zeichen waren verblasst oder abgeblättert, außerdem besaß ich nur geringfügige Kenntnisse in Piche. Chade trat zu mir.
    »Es ist mir nicht leichtgefallen«, sagte er eindringlich, »aber ich habe mein Wort gehalten. Galen bestand darauf, von seinen Schülern jegliche äußeren Einflüsse fernzuhalten. Er machte ausdrücklich zur Bedingung, dass niemand mit dir Verbindung
haben dürfe oder sich auf irgendeine Weise in deine Ausbildung einmische. Und, wie ich dir von Anfang an sagte, dort oben in der Königin Sommerfrische habe ich keine Macht.«
    »Das wusste ich.«
    »Dennoch war ich mit

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