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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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anfand. Kurz darauf holten Familienmitglieder ihre Toten heim und gaben ihnen ein anständiges Begräbnis. Ich beschwichtigte mein Gewissen damit, dass die Angehörigen möglicherweise erleichtert waren und dass wir die Entfremdeten durch unseren Eingriff nur davor bewahrten, im Winter jämmerlich an Hunger oder Kälte zugrunde zu gehen. So kam es, dass ich mich an mein mörderisches Handwerk gewöhnte und fast ein Dutzend Morde aufzuweisen hatte, bevor es sich fügte, dass ich einem Mann erstmals in die Augen sehen musste, um ihn dann zu töten.

    Selbst diese Tat kam mich weniger hart an, als ich gedacht hätte. Es handelte sich bei dem Betreffenden um einen kleinen Landadligen aus der Gegend um Turlake. In einem Wutanfall hatte er die Tochter eines Dieners geschlagen, wonach das Mädchen schwachsinnig geworden war. Die Nachricht von diesem Vorfall gelangte auch nach Bocksburg, und König Listenreich runzelte voller Unmut die Brauen. Allerdings hatte der Landadlige den vollen Blutspreis gezahlt und der Diener durch die Annahme des Geldes das Recht verwirkt, vor dem königlichen Gerichtshof Klage zu führen. Doch einige Monate später kam eine Kusine des unglücklichen Mädchens an den Hof und bat um eine Privataudienz bei Listenreich.
    Ich wurde ausgeschickt, um den Wahrheitsgehalt ihrer Anschuldigungen zu prüfen. Ich sah, wie das Mädchen einem Hund gleich gehalten wurde und zu Füßen des Freiherrn sitzen musste, überdies hatte er sie ganz offenbar geschwängert. Deshalb fiel es mir auch gar nicht weiter schwer, als er mir in edlem Kristall Wein auftischen ließ und um die neuesten Nachrichten vom Hof bat, dass ich bei passender Gelegenheit seinen Kelch ins Licht hielt, um sowohl das vortreffliche Gefäß als auch den Inhalt zu loben. Einige Tage darauf fuhr ich wieder ab und hatte den Auftrag erfolgreich ausgeführt. Im Gepäck hatte ich die Papiermuster, die ich Fedwren versprochen hatte, sowie eine Grußbotschaft des Hausherrn für eine gute Heimreise. Persönlich könne der Herr Baron mich leider nicht verabschieden, es hieß, er sei indisponiert. Ungefähr einen Monat später starb er qualvoll und unter schrecklichen Krämpfen. Die Kusine nahm das Mädchen und deren Kind bei sich auf. Und bis zum heutigen Tag bereue ich nichts, weder die Tat, noch dass ich ihn zu diesem langsamen Sterben verurteilt hatte.

    Wenn ich nicht unterwegs war, um die Pest der Entfremdeten zu bekämpfen, war ich Prinz Veritas zu Diensten. Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich mit einem Tablett die unendlich vielen Stufen hinaufstieg. Entgegen meiner Erwartung stand keine Wache vor der Tür vor dem Turmgemach des Prinzen. Als auf mein Klopfen keine Antwort erfolgte, trat ich leise ein. Veritas saß in einem Lehnstuhl am geöffneten Fenster. Eine vom Meer kommende sommerliche Brise wehte ins Zimmer. Es hätte ein gemütlicher Raum sein können, hell und luftig, stattdessen mutete er an wie eine Gefängniszelle. Neben dem Stuhl am Fenster befand sich ein kleiner Tisch und in den Ecken und Winkeln des Raums hatten sich Staub und die zertretenen Reste von altem Binsenstroh angesammelt. Veritas saß da und war in sich zusammengesunken, halb so, als schliefe er, doch ich spürte die vibrierende Spannung, die von ihm ausging und die Luft erfüllte. Sein Haar war struppig, an seinem Kinn spross ein Stoppelbart. Die Kleider hingen an seiner abgemagerten Gestalt herunter. Ich schloss mit dem Fuß die Tür hinter mir und ging mit dem Tablett zum Tisch. Nachdem ich es abgesetzt hatte, blieb ich daneben stehen und wartete still auf alles Weitere. Es dauerte einige Zeit, dann kehrte er von dem Ort zurück, an dem er gewesen war. Ein Schatten seines früheren Lächelns huschte über sein Gesicht, als er zu mir aufblickte und dann das Tablett ansah. »Was ist das?«
    »Das Frühstück, Herr. Jeder in der Burg hat schon vor Stunden gegessen, außer Euch.«
    »Ich habe gegessen, Junge. Heute Morgen ganz früh. Irgendeine grässliche Fischsuppe. Man sollte den Koch dafür hängen. Niemand sollte seinen Tag mit einem Fischgericht beginnen müssen.« Er sprach langsam und umständlich, wie
ein alter Mann, der sich an die Tage seiner Jugend zu erinnern versucht.
    »Das war gestern, Herr.« Ich deckte die Teller auf. Warmes Brot, mit Honig und Rosinen gebacken, kalter Braten, eine Schüssel Erdbeeren, zu diesen ein Kännchen Sahne. Von allem nur kleine Portionen, im Grunde die Mahlzeit für ein Kind. Ich goss den dampfenden Tee in einen Becher. Der

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