Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
felsenfest entschlossen war hierzubleiben, trotz all der Dinge, die zwischen uns standen. Aber ich bin nicht aus Stein. Und selbst wenn, auch Stein wird von dem steten Tropfen der Vernunft ausgehöhlt.«
»Mein Onkel? Der Prinz?« Ich konnte diese Hinterlist kaum glauben.
Sie nickte langsam. »Er wollte, dass sein Besuch geheim bleiben sollte. Was würde es nützen, sagte er, wenn du davon erführest. Er müsse im Interesse seiner Familie handeln, und ich solle versuchen, dafür Verständnis aufzubringen. Ich tat es, aber in mir bäumte sich alles auf. Erst mit der Zeit brachte er mich zu der Einsicht, dass es auch für mich das Beste war, vernünftig zu sein.« Sie wischte sich mit dem Hand rücken über die Wange. Tatsächlich, sie weinte. Lautlos, denn während sie redete, liefen nur die Tränen.
Ich ging zu ihr hin und nahm sie behutsam in die Arme, so als wäre sie ein Schmetterling, den man fürchten musste zu zerdrücken. Anstatt der erwarteten Gegenwehr neigte sie ihren Kopf zu mir nach vorne. Mit der Stirn an mei ner Schulter sprach sie weiter: »Noch ein paar Monate, und ich habe so viel Geld, dass ich wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Noch nicht mit ei nem eigenen Geschäft, aber ich will mir irgendwo eine Kam mer und eine Arbeit suchen. Und an fangen, für ei nen Laden zu spa ren. Das sind meine Zu kunftspläne. Prinzessin Phi lia ist herzensgut, und in Lacey habe ich eine wirk liche Freundin gefunden, aber ich bin nicht gerne eine Dienst magd. Und ich werde es nicht länger sein als unbedingt nötig.« Sie schwieg und verharrte regungslos in meiner Umarmung. Ich konnte fühlen, dass sie wie vor Erschöpfung zitterte.
»Was hat mein Onkel zu dir gesagt?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
»Oh.« Sie schluckte und bewegte ihr Gesicht an meiner Schulter hin und her. (Ich glaube, sie wischte ihre Tränen in mein Hemd). »Was man erwarten kann, denke ich. Bei seinem ersten Besuch war er kalt und herablassend. Ich glaube, er hielt mich für eine - Straßenhure. Er drohte, der König werde keinen Skandal dulden, und wollte wissen, ob ich schwanger wäre. Natürlich war ich empört. Ich antwortete ihm, es kön ne unmöglich der Fall sein, wir hätten nie …« Molly verstummte, und ich ahnte, wie sehr es sie in ih rem Stolz verletzt hatte, dass je mand eine sol che Frage auch nur stellen konnte. »Darauf meinte er, wenn es an dem wäre, wäre es gut. Er fragte, was ich glaubte, das mir zustünde, als Entschädigung für deine Betrügereien.«
Das Wort traf mich wie ein Dolchstoß. Mein Zorn wuchs, doch ich beherrschte mich. Ich wollte alles hören.
»Ich sagte ihm, ich erwartete keine Entschädigung. Dass im Grunde genommen ich selbst mir nur etwas vorgemacht hätte. Trotzdem bot er mir Geld an. Ich sollte fortgehen und dich vergessen. Und alles, was zwischen uns gewesen war.«
Es fiel ihr schwer weiterzusprechen. Ihre Stimme überschlug sich förmlich ich hörte dabei heraus, wie sehr sie sich bemühte, den Anschein der Ruhe zu wahren und sich nicht anmerken zu lassen, was ihr Herz wirklich bewegte. »Die Summe, die er mir bot, wäre groß genug gewesen, um eine Kerzenzieherei zu eröffnen. Ich hätte am liebsten auf ihn eingeschlagen. Ich sagte ihm, wenn nur Geld mich dazu bringen könnte, jemanden zu lieben oder nicht zu lieben, dann wäre ich in der Tat eine Hure. Er wurde sehr ungehalten, aber er ging.« Sie schluchzte noch ein mal auf, dann war sie still. Ich streichelte mit den Händen sanft über ihre bebenden Schultern, dann über ihr Haar.
»Edel ist nur darauf aus, Unheil zu stiften«, hörte ich mich sagen. »Er sucht mich zu treffen, indem er dich vertreibt. Mich zu beschämen, indem er dich kränkt.« Ich schüt telte den Kopf über meine eigene Dummheit. »Ich hätte es vorhersehen müssen, aber ich dachte nur daran, er könnte deinen Namen in den Schmutz ziehen oder dafür sorgen, dass dir etwas zustößt. Burrich hatte Recht. Der Mann kennt keine Moral, er fühlt sich an keine Regeln gebunden.«
»Zuerst war er schroff, aber niemals wirklich beleidigend. Er käme nur als Abgesandter des Königs, sagte er, und er käme selbst, damit nicht noch je mand ins Vertrauen gezogen werden müsste. Ihm sei daran gelegen, überflüssiges Gerede zu vermeiden und nicht noch wel ches zu verursachen. Später, nachdem wir ei nige Male miteinander gesprochen hatten, sagte er, es täte ihm leid, mich so in die Enge ge trieben zu se hen. Er werde dem König erklären, ich sei nicht schuld an der
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