Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
sprechen davon mit einem wissenden Lachen, andere mit einem schmutzigen Grinsen. Ich habe die drallen Marktfrauen darüber glucksen hören wie Hennen über hingestreuten Brotkrumen. Ich bin von Zuhältern
bedrängt worden, die ihre Waren anpriesen wie Händler frischen Fisch. Was mich selbst angeht, so glaube ich, dass es für man che Dinge keine Worte gibt. Die Farbe Blau kann man nur erfahren, wie auch den Duft von Jas min oder den Klang ei ner Flöte. Die Linie einer entblößten Schulter, die einzigartig Weichheit einer weiblichen Brust, der unwillkürliche Laut der Überraschung, wenn alle Wi derstände plötz lich überwunden sind, der Duft ih res hingestreckten Halses, der Geschmack ihrer Haut, das alles sind nur Details, die, so sie doch unendlich wertvoll sind, dennoch kein Bild des Ganzen ergeben. Tausend solcher weiterer Einzelheiten vermöchten es nicht genauer zu beschreiben.
Die Holzscheite im Ka min zerfielen zu roter Glut, längst wa ren die Kerzen niedergebrannt und erloschen. Wir ruhten geborgen an einem Ort, den wir als Fremde betreten hatten, um ihn dann als unser ureigenstes Reich zu erkennen. Ich glaube, ich hätte mit Freuden den Rest der Welt fahren lassen, nur um in dem wohligen Nest aus zerwühlten Decken und Federkissen liegenzubleiben und ihre warme Ruhe einzuatmen.
Bruder, das ist gut.
Ich zuckte zusammen wie von der Tarantel gestochen und riss Molly aus ihrem versonnenen Schlummer. »Was ist?«
»Ein Wadenkrampf«, log ich. Sie glaubte mir und lachte. Eine harmlose Flun kerei, doch plötzlich schämte ich mich der Lüge, schämte mich aller Lügen, die ich je ausgesprochen hatte, und aller Wahrheiten, die ich niemals ausgesprochen und dadurch in Lügen verkehrt hatte. Ich öffnete schon meine Lippen, um ihr alles zu gestehen. Dass ich der königliche Assassine war, der Meuchelmörder im Dienst der Krone. Dass das Wunder dieser Nacht von einem Dritten geteilt worden war, von mei nem Bruder, dem Wolf. Dass sie sich rückhaltlos einem Mann hingegeben hatte, der andere Menschen tötete und dessen engster Freund ein Tier war.
Undenkbar. Ihr dies alles zu offenbaren, das würde sie verletzen und be leidigen. Sie würde sich für alle Zeit beschmutzt fühlen von meiner Be rührung. Ich redete mir ein, ich könnte ertragen, dass sie vor mir Ekel emp fand, aber nicht vor sich selbst. Ich re dete mir ein, dass es rücksichtsvoller war, meinen Mund zu halten. Es erschien mir besser, diese Geheimnisse für mich zu be halten, als Gefahr zu lau fen, dass die Wahrheit ihr Leben zerstörte. War das Selbstbetrug?
Betrügen wir uns nicht alle selbst?
Ich lag dort, umschlungen von ihren Armen, genoss die Wärme und Weichheit ihres Körpers, der sich an mich schmiegte, und gelobte mir Änderung. Wenn ich kein Assassine mehr war und nicht mehr der Bruder eines Wolfs, brauchte ich ihr auch nichts zu gestehen. Morgen, morgen würde ich Chade und Listenreich sagen, dass ich nicht länger gewillt war, für sie zu töten. Morgen würde ich Nachtauge begreiflich machen, wa rum wir nicht län ger verbunden sein konnten. Morgen.
Doch heute, an diesem Tag, der sich bereits durch die Dämmerung ankündigte, musste ich mit dem Wolf zur Seite aus der Burg gehen, um Jagd auf Ent fremdete zu machen und sie zu töten. Weil ich vor den König hintreten wollte, um ihn mit einer Erfolgsmeldung gnädig zu stim men, denn ich war entschlossen, an diesem Abend, wenn das blutige Werk vollbracht war, Seine Majestät um die Erlaubnis zu bitten, Molly zu mei ner Gemahlin nehmen zu dürfen. Sei ne Zustimmung sollte der Markstein für den Beginn meines neuen Lebens sein, als ein Mann, der vor der Frau, die er liebte, keine Geheimnisse zu haben brauchte. Ich gab ihr ei nen Kuss auf die Stirn, dann hob ich sanft ih ren Arm von mei ner Brust.
»Ich muss dich jetzt verlassen«, flüsterte ich, als sie sich regte. »Doch ich hoffe, nicht für lange. Noch heute gehe ich zu Listenreich, um von ihm die Erlaubnis zu erbitten, dich zu heiraten.«
Sie schlug die Augen auf, und es lag noch etwas vom Staunen der Nacht darin, als sie zuschaute, wie ich nackt aus ihrem Bett stieg. Ich legte Holz auf die glimmende Glut. Während ich meine verstreuten Kleider zusammensuchte und mich anzog, vermied ich es, zu ihr hinzusehen. Sie war dagegen weniger scheu, denn als ich den Gürtel zugeschnallt hatte und den Kopf hob, begegnete ich ihrem lächelnden Blick. Ich errötete.
»Mir ist, als wären wir bereits vermählt«, sagte sie leise. »Ich
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