Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
nicht.«
Was sollte ich sagen? Unter der alten Kate, in einer flachen
Mulde, döste Nachtauge, die Nase über ei nem Knochen. Ich berührte ihn sachte aus der Ferne, ohne ihn zu wecken. Sein ruhiges Atmen war ein Anker, an dem ich Halt fand.
»Fitz, was wirst du tun?«
Tränen brannten mir in den Augen. Ich blinzelte, und es ging vorüber. »Was man mir sagt. Wann hätte ich je etwas anderes getan?«
Philia schwieg, als ich mich langsam aufrichtete. Die Wunde an meinem Hals pochte, und ich hatte plötzlich nur noch den Wunsch zu schlafen. Sie nickte, als ich mich verabschiedete. An der Tür blieb ich noch einmal stehen. »Weshalb ich heute Abend gekommen bin - außer, um Euch zu besuchen: Königin Kettricken wird den Garten oben auf dem Turm wieder herrichten. Sie würde gerne wissen, wie der Garten ursprünglich angelegt war. In den Tagen von Königin Constance. Ich dachte, vielleicht könntet Ihr helfen.«
Philia zögerte. »Ich erinnere mich sehr gut daran, wie er ausgesehen hat.« Sie schwieg einen Moment, dann hellte ihre Miene sich auf. »Ich werde eine Zeichnung machen und dir alles erklären. Dann kannst du damit zur Königin gehen.«
Ich sah ihr in die Au gen. »Ich den ke, Ihr solltet zu ihr ge hen. Sie wäre hocherfreut.«
»Fitz, ich habe nie gut mit Menschen umgehen können.« Ihre Stimme klang verzagt. »Ich bin überzeugt, sie fände mich wunderlich. Langweilig, ich kann nicht …« Ihre Stimme geriet ins Stocken.
»Königin Kettricken ist sehr allein«, sagte ich bestimmt. »Ihre Frauen sind um sie, aber ich glau be nicht, dass sie eine wirk liche Freundin hat. Einst wart Ihr die Thron folgerin. Wisst Ihr nicht mehr, wie es war?«
»Sehr viel anders als für sie heute, nehme ich an.«
»Wahrscheinlich«, stimmte ich zu und wandte mich schon ab zum Gehen. »Zum einen hattet Ihr einen aufmerksamen und liebevollen Gatten.« Ich hörte, wie Philia hinter mir einen bestürzten Laut ausstieß. »Zum anderen glaube ich nicht, dass Prinz Edel damals schon so - klug war, wie er jetzt ist. Und Ihr hattet Lacey als Vertraute und Beschützerin. Ja, Prinzessin Philia, ich bin sicher, es ist ganz anders für sie. Erheblich schwerer.«
»FitzChivalric!«
Meine Hand lag bereits auf der Türklinke. »Ja, Hoheit?«
»Dreh dich um, wenn ich mit dir spreche.«
Langsam folgte ich der Aufforderung oder dem Befehl, und sie stampfte tatsächlich mit dem Fuß auf. »Was erdreistest du dich! Du willst mich ins Un recht setzen! Glaubst du, dass ich nicht weiß, was meine Pflicht ist?«
»Mylady?«
»Morgen werde ich zu ihr ge hen. Und sie wird mich für merkwürdig, linkisch und verwirrt halten. Sie wird sich langweilen und wünschen, ich wäre niemals gekommen. Und dann wirst du dich bei mir entschuldigen, weil du mich dazu gebracht hast zu tun, was ich nicht tun wollte.«
»Wenn Ihr es sagt.«
»Hinaus mit dir, samt dei ner Anmaßung! Unerträglicher Junge!« Wieder stampfte sie mit dem Fuß auf, wirbelte herum und flüchtete zurück in ihr Schlafgemach. Lacey hielt mir die Tür auf, als ich hinausging. Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst, als müsste sie sich gewaltsam eines Kommentars enthalten.
»Nun?«, fragte ich, um sie zu erlösen.
»Ich dachte eben, dass Ihr Eu rem Vater sehr ähn lich seid. Nur weniger starrköpfig. Er pflegte sich nicht so schnell geschlagen zu geben wie Ihr.« Damit schloss sie die Tür hinter mir.
In düsterer Stimmung stieg ich die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Ich musste endlich den Verband an meinem Hals wechseln, und die Wunde am Arm pochte bei jedem Schritt. Auf dem Absatz blieb ich stehen und betrachtete die brennenden Kerzen in den Wandhaltern. Dann stieg ich die nächste Treppe hinauf.
Ich klopfte mehrmals an, wartete, klopfte wieder. Der gelbe Lichtschein unter ihrer Tür erlosch. Ich zog das Messer und hantierte da mit unverfroren an ihrem Schloss. Meinem Rat folgend, hatte sie es aus gewechselt. Zusätzlich schien ein Riegel vorgelegt zu sein, der sich mit der Messerspitze nicht anheben ließ. Ich gab auf und ging.
Von einem Fels abzusteigen ist immer leichter als ihn hinaufzusteigen, vor allem wenn man wie ich einen verletzten Arm hatte. Ich schaute in die Tiefe, wo die Wellen gegen die Klippen brandeten und ihre weiße Gischt über den schwarzen Fels schäumte. Nachtauge hatte recht behalten - der Mond spähte zwischen den Wolken hervor. Das Seil glitt durch mei ne Hand, und ich ächzte, als sich an dem verwundeten Arm die Muskeln
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