Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
kann mir nicht vorstellen, wie irgendwelche Beschwörungsformeln uns noch enger aneinanderbinden sollten.«
»Ich auch nicht.« Ich setzte mich auf die Bett kante und umfasste noch einmal ihre Hände. »Doch ich will, dass es alle wissen, und dazu, meine geliebte Lady, bedarf es nun einmal einer Hochzeitsfeier. Und der öffentlichen Verkündigung all dessen, was mein Herz dir bereits gelobt hat. Doch jetzt muss ich gehen.«
»Geh noch nicht. Ich bin si cher, wir haben noch eine klei ne Weile, bevor irgendjemand aufwacht.«
Ich beugte mich hinunter und küsste sie. »Aber ich muss gehen, um ein gewisses Seil zu bergen, das von den Zinnen bis zum Fenster meiner Liebsten hängt. Sonst könnte es zu wilden Vermutungen Anlass geben.«
»Bleib we nigstens so lange, dass ich dir helfen kann, den Verband an dei nem Arm und Hals zu wechseln. Wie bist du denn zu diesen Verletzungen gekommen? Ich wollte dich schon gestern Abend danach fragen, aber …«
Ich blickte lächelnd auf sie he rab. »Ich weiß. Es gab Besseres zu tun. Nein, mein Schatz. Aber ich verspreche dir, ich küm mere mich gleich darum, in meinem Zimmer.« Keine anderen Worte hatten mir je das Gefühl vermittelt, so sehr ein Mann zu sein, wie dieses ›mein Schatz‹. Ich küsste sie in der festen Absicht, gleich darauf zu gehen, doch nur zu gern ergab ich mich noch ein, zwei Minuten
ihrer liebevollen Hand um meinen Nacken. »Es hilft nichts, ich muss jetzt gehen.«
»Ich weiß. Aber du hast mir im mer noch nicht erzählt, wie du dir diese Verletzungen zugezogen hast.«
Ich konnte ihrer Stimme anhören, dass sie mei ne Blessuren nicht sonderlich ernst nahm, sondern nur hoffte, mich damit noch ein Weil chen festzuhalten. Trotzdem hatte ich ein schlech tes Gewissen, weil ich schon wieder gezwungen war zu lügen, und ich versuchte, es so harm los wie möglich klingen zu lassen. »Hundebisse. Eine Hündin mit Jungen. Ich kannte sie wohl noch nicht so gut, wie ich geglaubt hatte. Als ich mich bückte, um ei nen der Welpen aufzuheben, ging sie auf mich los.«
»Armer Junge. Hast du die Verletzungen gut ge säubert? Tierbisse entzünden sich leicht.«
»Ich werde sie nochmals reinigen, wenn ich sie frisch verbinde. Jetzt aber muss ich wirk lich gehen.« Dann deckte ich sie mit dem Federbett zu, nicht ohne ein leises Bedauern darüber, diesen Ort der Geborgenheit verlassen zu müssen. »Schlaf noch etwas, bis es Tag wird.«
»FitzChivalric!«
An der Tür blieb ich stehen und drehte mich um. »Ja?«
»Komm heute Abend zu mir. Ganz gleich, wie die Antwort des Königs lautet.«
Ich öffnete den Mund zum Protest.
»Versprich es mir! Sonst überlebe ich diesen Tag nicht. Versprich mir, dass du wiederkommst. Denn was der König auch sagt, du musst wissen: Ich bin jetzt deine Frau. Und werde es immer sein. Immer.«
Die Größe dieses Geschenks ließ mein Herz stillstehen, und ich konnte nicht mehr tun, als ihr wortlos zuzunicken. Mein Gesichtsausdruck schien ihr genug gesagt zu haben, denn das Lächeln, das
sie mir daraufhin schenkte, war leuchtend und golden wie sommerlicher Sonnenschein. Ich hob den Tür riegel und öff nete das Schloss. Durch einen schmalen Spalt schaute ich in den dunk len Gang hinaus. »Denk daran, hinter mir die Tür wieder zu verriegeln«, flüsterte ich und schlüpfte dann hinaus in den kleinen Rest der Nacht, der mir bis zum Morgen noch übrig blieb.
KAPITEL 13
JAGD
W ie in jedem anderen Fach gibt es verschiedene Wege, die Gabe zu unterrichten. Galen, Gabenmeister unter König Listenreich, wählte die Methode der Askese und Kasteiung, um die inneren Barrieren eines Schülers niederzureißen. Der Schüler musste sich ihm unterwerfen und war auf seinen reinen Selbsterhaltungstrieb reduziert, so dass er auf diesem Weg empfänglich für Galens Bewusstseinsmanipulation und seine Technik der Ausübung der Gabe war. Obwohl die Schüler, die die Tortur überstanden und schließlich seinen Zirkel bildeten, alle zuverlässig von der Gabe Gebrauch machen konnten, verfügte keiner von ihnen über ein besonders großes Potential. Galen brüstete sich vor Zeugen mehrmals damit, aus unwertem Material brauchbare Werkzeuge geschmiedet zu haben. Aber vielleicht ging er auch den umgekehrten Weg und verwandelte Gold in Blei.
Interessant ist ein Ver gleich von Galens Methode mit der von Solizitas, die vor ihm amtierende Gabenmeisterin. Von ihr erhielten die jungen Prinzen Chivalric und Veritas die grundlegende Ausbildung. Aus Veritas’ Berichten über
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