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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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erträglich. »Geh!«, schrie ich. »Geh weg! Sofort! Schnell, schnell!«
    Noch nie hatte ich den Narren derart erstaunt gesehen. Ihm blieb tatsächlich der Mund offenstehen, man sah sei ne kleinen weißen Zähne und die blasse Zunge. Für einen Moment gruben sich seine Finger in meine Schultern, dann ließ er mich los. Mir war völlig gleichgültig, was er über mein seltsames Benehmen dachte. Ich riss die Tür auf, wies mit dem ausgestreckten Arm auf den Gang hinaus, und er war fort. Hinter ihm schob ich den Riegel vor, taumelte zu meinem Bett und fiel der Länge nach auf die Kissen. »Molly!«, rief ich, »Molly, hilf mir!« Aber ich wusste, sie konnte mich nicht hören, und so war ich allein und alles verdüsterte sich um mich herum.

    Der Schein von hundert Kerzen. Girlanden aus Immergrün, Stechpalmensträuße und kah le schwarze Winterzweige, behängt mit glitzerndem Süßigkeiten zur Freude von Augen und Gaumen. Durch die Halle klang das Klappern der hölzernen Schwerter der Marionetten und das Jauchzen der Kinder, als dem Scheckigen Prinzen tatsächlich der Kopf abgeschlagen wurde und in hohem Bogen über die Zuschauer flog. An anderer Stelle sang der Troubador Samten lauthals ein Trinklied, während seine Finger wie selbstständig über die Saiten der Harfe tanzten. Da drang ein Schwall kalter Luft herein, als sich die Türen der großen Halle öffneten, um einen weiteren Trupp festlich gestimmter Gäste einzulassen. - Mir kam langsam die dämmernde Erkenntnis, dass ich das alles nicht träumte, sondern dies war das Winterfest, und ich wanderte, von einer milden Glückseligkeit erfüllt, durch das vergnügte Treiben, lächelte in Gesichter und nahm dennoch keines wahr. All mei ne Bewegungen waren langsam, ich fühlte mich wie eingehüllt in wei che Wolle, trieb förm lich dahin wie ein unbemanntes Segelboot an ei nem windstillen Tag. Eine wunderbare Schläfrigkeit erfüllte mich. Je mand berührte meinen Arm. Ich drehte mich um. Es war Burrich, der mich stirnrunzelnd etwas fragte. Seine tiefe Stimme wirkte fast eine Farbe, die von ihm zu mir flutete, wenn er sprach. »Alles ist gut«, versicherte ich ihm. »Keine Sorge, alles ist gut.« Ich schwebte weiter und folgte dem Strom der Menge.
    König Listenreich saß auf seinem Thron, aber ich wusste jetzt, er war aus Papier gemacht. Der Narr saß zu seinen Füßen und hielt sein Rattenzepter umklammert wie ein Kind seine Rassel. Seine Zunge war ein Schwert, und wenn des Königs Feinde sich dem Thron näherten, schnitt er sie in Stücke und hielt sie fern von dem Papiermann mit der Krone.
    Veritas und Kettricken auf einem zweiten Hochsitz, so niedlich
wie die Puppe des Narren, alle beide. Ich sah sie an und merkte, sie bestanden aus nichts als Hunger nach diesem und jenem, Gefäße, aus Leere geschaffen. Edel trat he ran und sprach mit ih nen, und er war ein großer schwarzer Vogel, keine Krähe, nein, nicht so übermütig wie eine Krähe, und auch kein Rabe. Er besaß nicht die verschmitzte Schläue eines Raben. Nein, er war ein elender Leichenfledderer von ei nem Vogel, der sie um kreiste und be lauerte; für ihn waren sie Aas, an dem er sich gütlich tun wollte. Er verbreitete Aasgeruch, ich hielt mir die Hand vor Mund und Nase und entfernte mich von ihnen.
    Ich setzte mich ans Feuer, neben ein kicherndes junges Mädchen in blauen Röcken. Sie schnatterte wie ein Eichhörnchen, und ich lächelte sie an, und bald lehnte sie an meiner Schulter und sang ein komisches kleines Lied über drei Milchmädchen. Die anderen, die um den Kamin standen, fielen mit in das Lied ein. Am Schluss lachten wir alle, aber ich wusste nicht genau, warum. Und ihre warme Hand lag wie zufällig auf meinem Schenkel.
    Bruder, bist du von Sinnen? Hast du schlechten Fisch gefressen, verbrennt dich ein Fieber?
    »Wie?«
    Der Verstand ist getrübt. Deine Gedanken sind blutleer und schwach. Du bewegst dich wie ein Rehbock im hohen Schnee.
    »Ich fühle mich gut.«
    »Wirklich, Herr? Dann fühle ich mich auch gut.« Sie blickte lächelnd zu mir auf. Ihr rundes kleines Gesicht, ihre dunk len Augen, das lockige Haar, das sich unter ihrer Haube hervorkräuselte. Veritas hätte Gefallen an ihr ge funden. Sie tätschelte mir kameradschaftlich das Bein. Ein Stückchen weiter oben als vorher.
    »FitzChivalric!«
    Ich hob träge den Blick. Philia stand vor mir, Lacey neben sich. Wie schön, sie hier zu sehen. Sie kam viel zu selten aus ihren Gemächern
hervor, um sich unter das Volk zu mischen.

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