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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ich von seiner Anwesenheit nichts merkte.
    Einen Monat nach dem Winterfest fand ich mich in ei ner neuen Rolle wieder. Das war die Folge meines bereits einige Zeit zurückliegenden Gesprächs mit Veritas, als ich ihn gebeten hatte, mich von mei ner Aufgabe als Assassine zu entbinden. Eines Tages wurde ich an Bord der Rurisk befohlen und bekam einen Platz am Ruder zugewiesen. Der Kapitän des Schiffes verwunderte sich laut darüber, weshalb man ihm einen dünnen Zweig schickte, da er doch einen starken Balken angefordert hatte. Ich konnte es ihm nicht übel neh men. Die meis ten der Män ner um mich herum waren vierschrötige Kerle und erfahrene Seeleute. Wenn ich mich bewähren wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit Feuereifer auf diese neue Tätigkeit zu stürzen. Wenigstens hatte ich die Genugtuung, dass ich mit meiner Unerfahrenheit nicht allein
dastand. Auch wenn meine Kameraden alle bereits auf anderen Schiffen gedient hatten, war dieser Schiffstyp für sie doch ebenfalls neu.
    Veritas hatte die ältesten Schiffbauer zusammenrufen müssen, um jemanden zu finden, der noch wusste, wie man ein Kriegsschiff baut. Die Rurisk war das größte der vier Boote, die Veritas beim Winterfest hatte vom Stapel laufen lassen. Ihre Linien waren von kühner Eleganz, der geringe Tiefgang ermöglichte ihr, über das ruhige Meer zu gleiten wie eine Libelle über einem Teich oder selbst hohen Wellengang so mü helos abzureiten wie eine Möwe. Bei zweien der anderen Boote waren die Planken Stoß an Stoß an die Spanten genietet, aber die Rurisk und ihr kleineres Schwesterschiff Constance hatten einen Klinkerrumpf, mit dachziegelartig übereinandergreifenden Planken. Der alte Schiffsbauer Mastfisch hatte die Rurisk gebaut, und die Plan kengänge waren mit höchster Präzision zusammengefügt. Trotzdem besaß der Rumpf die nötige Elastizität, um auch auf stürmischer See standzuhalten. Der Mast aus einem Kiefernstamm trug ein aus Flachs gesponnenes Segel, das mit einem Licktau eingefasst und mit Veritas’ Bockswappen geschmückt war.
    Die neuen Schiffe rochen nach Holzspänen und geteertem Tauwerk. Die Decks waren noch jungfräulich glatt, die Ruder über die gesamte Länge blitzsauber. Bald würde die Rurisk ihren eigenen Charakter entwickeln: hier ein paar Schnitzereien mit einem Marlspieker, um ein Ruder griffiger zu machen, dort ein gespleißtes Tau, all die klei nen Kerben und Dellen, die von intensivem Gebrauch herrühren. Doch vorläufig war die Rurisk so grün wie wir. Wenn wir mit dem Schiff hi nausfuhren, fühlte ich mich an einen unerfahrenen Reiter erinnert, der sein Glück mit ei nem gerade erst eingerittenen Pferd versuchte. Das Schiff scheute und bockte förmlich und knickte zwischen den Wellen fast ein; aber dann, als
wir allmählich aufeinander eingespielt waren, richtete es sich auf und schnitt wie ein geöltes Messer durch das Wasser.
    Es war Veritas’ Wunsch, dass ich mich gründlich in dieser neuen Welt einlebte. Ich erhielt zusammen mit dem Rest der Besatzung eine Schlafstatt im Lagerhaus. Ich lernte, mich unauffällig zu verhalten, doch stets war ich auf dem Sprung, um ei nen Befehl auszuführen. Der Kapitän stammte aus den Sechs Provinzen, aber der Maat war ein Outislander; von ihm lernten wir, mit dem Schiff umzugehen und das Beste aus ihm he rauszuholen. Es ge hörten noch zwei Outislander zur Mannschaft, und wenn wir nicht gedrillt wurden, klar Schiff machten oder schlie fen, steckten sie die Köpfe zusammen und unterhielten sich leise. Ich wunderte mich, dass sie nicht merkten, wie sie damit das Misstrauen der anderen schürten. Meine Pritsche war nicht weit von ih nen entfernt, und oft, wenn ich mich hingelegt hatte, um zu schla fen, spürte ich Veritas’ Drängen, auf halb laut gesprochene, mir unverständliche Worte zu lauschen. Ich tat es und wusste, dass er mehr mit den erlauschten Worten anfangen konnte als ich. Nach einiger Zeit merkte ich, dass es da rin Ähnlichkeiten mit unserer Sprache gab; bei genauem Hinhören verstand ich dann sogar einiges von dem, was gesagt wurde. Mit keinem Wort war bei ih ren Ge sprächen von Verrat oder Meuterei die Rede. Sie trauerten um die von den eigenen Landsleuten entfremdeten Angehörigen und schworen blutige Rache. Es bestand kein großer Unterschied zwischen ihnen und ihren Kameraden aus den Sechs Provinzen. Fast jeder an Bord hatte jemanden durch die Pest der Entfremdung verloren. Schuldbewusst fragte ich mich, wie viele dieser verlorenen

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