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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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In jener Zeit entwickelte die Bevölkerung unseres Landes einen größeren Hass auf die Outislander als je zuvor.
    Früher befuhren die Outislander sowohl als Händler als auch als Freibeuter die Meere. Raubüberfälle an der Küste waren nur die Aktionen Einzelner. Einen Piratenkrieg wie den, den wir erlebten, hatte es seit den Ta gen von König Weise nicht mehr gegeben. Obwohl solche Überfälle nicht eben Seltenheitswert besaßen, liefen erheblich mehr Outislander unsere Häfen an, um Handel zu treiben. Die Blutsbande unserer Adelshäuser zu den Fernen Inseln galten nicht als Schmach, und manch eine Familie hatte einen ›Vetter‹ dort.
    Doch nach den Raub zügen, die Ingot vorausgingen, und dann den Scheußlichkeiten von Ingot selbst fand niemand mehr ein gutes Wort für die Outislander. Von jeher waren es zumeist ihre Schife gewesen, die unsere Küsten besuchten, weniger häufig zog es unsere Handelsschife in ihre unberechenbaren Gewässer und von Eis bedrohten Häfen. Nun kam der friedliche Handel gänzlich zum Erliegen, und die Verbindung zu unseren Verwandten von den Fernen Inseln brach ab. Der Begrif ›Outislander‹ wurde gleichbedeutend mit Pirat, und
in unserer Vorstellung hatten alle Outislanderschife einen blutroten Rumpf.
    Doch Chade Irrstern, vertrauter Ratgeber König Listenreichs, nahm es auf sich, in jenen gefahrvollen Tagen eine Reise zu den Fernen Inseln anzutreten. Aus seinen Tagebüchern dieser Auszug:
    »Kebal Steinbrot war ein Name, den in den Sechs Provinzen niemand kannte, und auf den Fernen Inseln wagte man ihn kaum im Flüsterton auszusprechen. Die freisinnigen Bewohner der weitverstreut und einsam liegenden Dörfer hatten niemals einen gemeinsamen König über sich anerkannt. Auch betrachtete man Kebal Steinbrot nicht als König, sondern vielmehr als eine böse Macht, wie einer kalter Wind, der Masten und Takelage eines Schifes so dick mit Eis überzieht, dass es binnen kurzem kentert und kieloben auf den Wellen treibt.
    Die wenigen Menschen, denen nicht die Angst den Mund verschloss, erzählten mir, Kebal hätte seinen Aufstieg damit begonnen, dass er die unabhängigen Piraten unter seinem Kommando vereinigte. Mit diesem Rückhalt machte er sich daran, die bes ten Navigatoren zu ›rek rutieren‹, die fähigsten Schifsführer und die verwegensten Kämpfer, die in den Siedlungen zu fin den waren. Wer sich ihm nicht anschließen wollte, musste erleben, dass seine Familie entfremdet wurde - gebrandmarkt, wie es sie nennen. Dann überließ man ihn seinem Leid. Die meisten der so Gestraften sahen sich gezwungen, eigenhändig Familienangehörige zu töten; die Out islander haben strenge Gesetze, was die Pflicht eines Sippenältesten angeht, Ordnung in seinem Haus zu halten. Je mehr die Nachrichten von diesen Vorfällen sich ausbreiteten, desto weniger leistete man Kebal Steinbrot Widerstand. Manche flohen, ihre weitverzweigten Familien entgingen dennoch nicht dem Schicksal der Entfremdung. Andere entschieden sich für Selbstmord, doch auch ihre Familien blieben nicht verschont. Diese Beispiele führten dazu, dass bald niemand mehr den Mut hatte, sich Steinbrot zu widersetzen.
    Auch nur gegen ihn das Wort zu erheben beschwor die Gefahr des
escral herauf. So gering die Ausbeute an Informationen ist, die diese Reise mir eingebracht hat, auch dieses Wenige wurde nur unter großen Mühen zusammengetragen. Natürlich kursieren auch verschiedene Gerüchte. Was mir zu Ohren gekommen ist, liste ich im Folgenden auf:
    Von einem ›weißen Schif‹ wird gesprochen, von einem Schif, das kommt, um Seelen zu spalten. Nicht, um sie zu rauben oder zu vernichten - um sie zu spalten. Man munkelt auch von einer bleichen Frau, die sogar Kebal Steinbrot fürchtet und verehrt. Einige Befragte brachten die Not ihres Landes mit dem bedrohlichen Vorrücken der ›Eiswale‹ oder Gletscher in Zusammenhang. Waren sie schon von jeher eine latente Bedrohung in den höhergelegenen Gebieten ihrer engen Täler, so setzten sie sich vor verhältnismäßig kurzer Zeit in Bewegung und wuchsen schneller, als irgendein lebender Mensch sich erinnern kann. Sie bedeckten nach und nach den wenigen fruchtbaren Boden, den die Outislander besaßen, und brachten auf eine Weise, die niemand mir erklären konnte oder wollte, eine ›Veränderung des Wassers‹ mit sich.«
     
    Am selben Abend noch ging ich hin, um den König aufzusuchen. Allerdings war mir recht unwohl dabei. Er würde unser letztes Gespräch über Zelerita so wenig

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