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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ausrichten?«, fragte ich sie.
    Die Kleine machte einen tiefen Knicks. »Ihre Hoheit, Kronprinzessin Kettricken bittet Euch, sie aufzusuchen, zum frühest möglichen Zeitpunkt, der Euch genehm ist.«
    »Das wäre jetzt gleich, oder nicht?« Ich versuchte, ihr ein Lächeln zu entlocken.
    »Nein.« Sie blickte mit gerunzelter Stirn zu mir auf. »Ich sagte ›zum frühest möglichen Zeitpunkt, der Euch genehm ist‹, Herr. War das nicht richtig?«
    »Vollkommen richtig. Wer hat dir denn so ausgezeichnete Manieren beigebracht?«

    Sie stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Fedwren.«
    »Fedwren ist be reits von seiner Sommerwanderung zurückgekehrt?«
    »Vor zwei Wochen schon, Herr.«
    »Nun, da sieh einer an, was ich alles nicht weiß! Wenn ich ihn das nächste Mal spreche, werde ich lobend erwähnen, wie elegant du dich auszudrücken verstehst.«
    »Ich danke Euch, Herr.« Dann vergaß sie doch ihr erwachsenes Benehmen, hüpfte zur Treppe, und ich hörte ihre leichten Schritte die Treppe hi nuntertrippeln wie ausgestreute Murmeln. Ein liebenswertes Kind. Ich dachte mir, dass Fedwren sie als Botin ausbildete, was eine seiner Pflichten als Schreiber war. Ich trat kurz in mein Zimmer, um ein frisches Hemd überzuziehen, und begab mich dann hinunter zu Kettrickens Gemächern. Ich klopfte an, und Rosemarie machte mir auf.
    »Jetzt ist es mir ge nehm«, sagte ich und wurde diesmal durch ein Lächeln mit den allerliebsten Grübchen in ihren Wangen be lohnt.
    »Tretet ein, Herr. Ich werde mei ner Herrin sagen, dass Ihr gekommen seid.« Sie wies auf einen Stuhl und verschwand im inneren Zimmer, aus dem das leise Gemurmel von Frauenstimmen drang. Durch die offene Tür konnte ich sie über ihre Handarbeiten gebeugt sitzen sehen. Königin Kettricken neigte den Kopf zu Rosemarie hinunter. Dann erhob sie sich und kam zu mir. Als sie vor mir stand, konnte ich erst den Blick nicht von ihr abwenden. Das Blau ihres Gewandes verstärkte noch das Blau ihrer Augen. Im Spätherbstlicht, das den Weg durch die Butzenscheiben fand, schimmerte ihr Haar tiefgolden. Als mir bewusst wurde, dass ich sie anstarrte wie ein Trottel, schlug ich sofort die Augen nieder, stand von dem Stuhl auf und verneigte mich. Sie wartete nicht, bis ich mich aufgerichtet hatte. »Hast du kürzlich dem König einen Besuch abgestattet?«, fragte sie mich ohne Einleitung.

    »Nicht in den letzten Tagen, Hoheit.«
    »Dann empfehle ich dir, heu te Abend zu ihm zu ge hen. Ich bin in Sorge um ihn.«
    »Wie Ihr wünscht, Hoheit.« Ich wartete. Bestimmt hatte sie mich nicht deswegen rufen lassen.
    Nach einem kurzen weiteren Augenblick seufzte sie. »Fitz, ich bin hier so einsam wie nie zuvor in meinem Leben. Kannst du mich nicht Kettricken nennen und mit mir reden, als wäre ich einfach nur ein Mensch?«
    Dieses plötzliche Angebot der Vertraulichkeit brachte mich aus dem Gleichgewicht. »Gewiss«, antwortete ich, aber es klang nicht überzeugt.
    Gefahr, raunte Nachtauge.
    Gefahr? Wieso?
    Sie ist nicht deine Gefährtin. Sie ist die Gefährtin des Rudelführers.
    Als hätte ich mit der Zunge einen schmerzenden Zahn be rührt, so stechend durchzuckte mich die Erkenntnis. Hier drohte eine Gefahr, vor der man auf der Hut sein musste. Dies war meine Königin, aber ich war nicht Ve ritas, und sie war nicht mei ne Geliebte, auch wenn mein Herz bei ihrem Anblick noch so heftig schlug.
    Aber sie war mei ne Freundin. Im Bergreich hatte sie es bewiesen. Ich schuldete ihr den Trost, auf den ein Freund ein An recht hat.
    »Ich will dir erzählen, was geschehen ist, als ich den König aufgesucht habe.« Sie forderte mich auf, Platz zu nehmen, und setzte sich selbst auf einen Stuhl. Rosemarie holte ihren Schemel, um sich zu Kettrickens Füßen niederzulassen. Obwohl wir allein im Zimmer waren, sprach die Königin mit gedämpfter Stimme: »Ich fragte ihn ganz offen, wes halb ich nicht vom Eintreffen des Boten unterrichtet worden wäre. Meine Frage schien ihn zu verwirren, doch bevor er etwas sagen konnte, kam Edel herein. Ihm war
anzusehen, dass er sich be eilt hatte. Als wäre je mand mit der Neuigkeit zu ihm gelaufen, und er hätte alles stehen- und liegenlassen, damit ihm ja nichts entgeht.«
    Ich nickte wissend.
    »Er machte es mir unmöglich, mit dem König zu sprechen. In scheinbar bester Absicht begann er, mir alles zu erklären. Er behauptete, der Reiter wäre sofort in die Gemächer des Königs gebracht worden, und dort hätte er ihn angetroffen, als er seinen Vater aufsuchen

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